Installation „WE AM“ im Bean Store

Was wäre, wenn wir das Schubladen-Denken ablegen und unvoreingenommen aufeinander zugehen würden? Klingt einfach, ist es aber nicht immer.

Dass es aber geht, dass Grenzen verschwimmen und Schubladen aufgebrochen werden können, möchte die Installation „WE AM“ zeigen, die ab heute bis Ende April im Schaufenster des Bean Stores in der Theresienstraße zu sehen ist. Dafür wurden  120 – 130 Portraits von lokalen Münchner Persönlichkeiten, Gesichter aus New York und Brasilien und Fotografien von Münchner Flüchtlingen an der Innenseite des Laden-Schaufensters befestigt. Wer wer ist, wer alteingesessen oder frisch zugezogen ist, lässt sich so nicht mehr sagen. Aus Individuen wird eine Gruppe, Grenzen verschwinden – und damit hoffentlich auch Berührungsängste und Vorurteile.

Wir finden: Spannende Idee. Und wollten von den beiden Köpfen dahinter, Laura Bohnenberger, Inhaberin des Bean Stores, und dem Photographen Wolf Gaertner wissen, was sie zu dieser Installation bewegt hat.


Liebe Laura, lieber Wolf,
wie kam es zu der Idee von „WE AM“?

Wolf: Über die letzten Jahre war ich sehr viel auf Reisen und habe sehr viele Portraits von, für mich, interessanten Menschen gemacht. Die Close-ups, die ich gemacht habe, waren nie inszeniert sondern sind so entstanden, dass ich aus dem Stegreif Menschen auf der Straße angesprochen habe und maximal 3-4 schnelle Fotos von ihnen gemacht habe. Interessanterweise sind dabei, speziell durch den oft überraschten Blickkontakt mit der Kamera sehr ehrliche Emotionen auf den Bildern rausgekommen.

Laura: Für mich als Ladeninhaberin ist es unheimlich spannend meinen Ausstellungsraum, mein Schaufenster aufzugeben, es einem Künstler zu überlassen – und in diesem Fall auch meinen Ausblick aus mein Fenster. Besonders spannend fand ich dabei die Arbeit meines Freundes Wolf, der die aussagekräftigsten Arbeiten in diesem Bereich abliefert. Ich war und bin von seiner Arbeit überzeugt und begeistert. Warum? Weil er Menschen, Charaktere, Momente einfängt wie meiner Meinung nach kein anderer. Ich bin und war total seelig, ihn an meiner Seite zu wissen. Wie wir zusammen kamen? Er bringt das „Werk“, ich die „Leinwand“, die Verbindung ist unsere Freundschaft.

Was wollt ihr mit der Installation erreichen?

Wolf: München nicht sehr groß, es gibt innerhalb der zentralen, recht kleinen „Szene“ sehr viele lokal bekannte Gesichter. Seit ich wieder hier lebe, habe ich angefangen, auf die gleiche Weise Portraits zu schießen wie auf meinen Reisen. Zur gleichen Zeit hat München aber gerade in den letzten zwei Jahren durch die starke Migration sehr viele neue Gesichter bekommen, die keiner kennt, weil sie sich im Hintergrund bzw. in Flüchtlingsunterkunften aufhalten. In der Kollage, die ich angelegt habe, zeigt sich eine komplett bunte Mischung aus „etablierten“ und bekannten Münchnern, sowie diesen anderen „Neu-Münchnern“, die man normal nicht so auf der Straße trifft. Durch die Menge und Anordnung von Close-up Portraits hoffe ich, dass beim Betrachten individuelle Unterschiede verschwimmen. Soll heißen, dass man nicht mehr unterscheiden kann, wer nun „eingesessen und etabliert“ ist und wer nicht – im Wesentlichen eine visuelle Veranschaulichung von Integration. Wenn man das kollektiv sieht, könnte jeder im Grunde problemlos ein Münchner sein, den man schon über Jahre kennt.

Wie habt ihr eure Fotomodelle gefunden?

Wolf: Da Laura und ich beide gebürtige Münchner sind und deshalb einen recht großen Bekanntenkreis hier pflegen, hatten wir eigentlich direkten Zugang zu den „bekannten“ Gesichtern in München. Das Thema mit den Flüchtlingen gestaltete sich etwas schwieriger. Abgesehen davon, dass viele unter erheblichem Schutz vom Staat stehen, sind viele was Fotos betrifft eher scheu. Wie ich erfahren habe betrifft das speziell die, deren Familien sich z.b. noch in Krisengebieten aufhalten. Sie haben Angst, dass ihre Fotos irgendwo in der Presse vor Ort auftauchen und folglich ihre Familien bedroht bzw. erpresst werden. Dennoch habe ich in vielen Unterkünften, speziell in Moosinning und Grünwald, sehr viele Leute kennengelernt, die von der Idee begeistert waren und gerne „Modell“ standen. Diese Leute habe ich natürlich auch zur Vernissage eingeladen, mit ihnen habe ich nach wie vor viel Kontakt.

Seid ihr auch sonst in der Münchner Flüchtlingshilfe aktiv bzw. habt ihr Tipps, was der Einzelne tun kann?

Wolf: Auf die Leute zugehen, sich interessieren, am besten Bekanntschaften knüpfen. In vielen Unterhaltungen in den Unterkünften berichteten die Leute, dass sie das Gefühl haben, dass die Leute hier Angst vor ihnen haben, sie sich nicht willkommen fühlen und sie deshalb nachvollziehbar extrem scheu auf neue Kontakte reagieren. Ich bin in den letzten Wochen öfter mit der ein oder anderen Gruppe was trinken gegangen und es ist doch erstaunlich, wie absolut geringfügig die Unterschiede zwischen beispielsweise mir und einem gleichaltrigen Syrier oder Nigerianer sind – abgesehen natürlich von dem Elend, das sie in den letzten Jahren erleben mussten. Integration beginnt auch auf dem ganz persönlichen Level. Die Leute haben sich jedesmal unglaublich gefreut, wenn man mit ihnen in die Stadt fährt und sie ganz selbstverständlich in die Bars mitnimmt, in die man sonst auch geht. So gewöhnen sich die „Kritischen“ an unsere neuen Mitbürger, und die „Neu-Münchner“ sammeln Selbstbewusstsein und Interesse, bzw. bekommen mehr die Möglichkeit, sich zu Integrieren.

Laura: Ich helfe sowohl privat als auch über meinen Laden. Als es kalt war, haben wir z.B. dazu aufgerufen, dass Leute Jacken für Flüchtlinge im Bean Store vorbei bringen können. Wir haben zusätzlich Jacken aus unserem Lager gespendet und uns darum gekümmert, dass die Jacken an den richtigen Stellen ankommen.


Wer Lust bekommen hat, sich die Installation genauer anzusehen, kann heute Abend ab 17:00 im Bean Store zur Eröffnung vorbeischauen. Die Bilder werden bis Ende April dort ausgestellt sein.