Zwischen Warehouse-Flair, Drinks und Nixen: Ein Besuch in der Oper Köln

von Myriel 12.03.2019

Es ist grau, kalt und nass draußen und es stürmt so sehr, dass man im 60-Grad-Winkel immer noch stehen kann, ohne auf die Nase zu fallen. Es gibt also eigentlich keinen guten Grund, das Haus zu verlassen. Außer man hat sich schon vor Wochen mit rotem Filzstift die Wörtchen Premiere Rusalka Oper Köln in den Kalender gekritzelt – so wie wir. Und eins kann ich sagen: Das war definitiv ein Grund, rauszugehen! Ich bin froh, dass wir uns vom Sturmtief Eberhard nicht haben unterkriegen lassen, denn die Vorstellung in der Oper war wahrhaftig Märchen und wahr gewordenes Träumchen zugleich. 

Auf dem Weg in die Oper mussten wir wegen des Sturmtiefs Eberhard einige Nerven auf der Strecke liegen lassen, weil alle Bahnen still standen. Umso schöner und erfreulicher war es, als wir endlich in der Oper Köln in Deutz ankamen. Eigentlich ist es ziemlich entspannt, dorthin zu kommen, wenn sich dir nicht gerade das Sturmtief des Jahres und mehrere Äste in den Weg stellen. Vom Bahnhof Deutz/Messe läufst du nur ca. 5 Minuten bis zur Oper. 

 

Wir haben letztendlich einen Leihwagen genommen und trotz unserer Ankunft um 17.59 Uhr (Beginn 18 Uhr) schleusten uns die netten Mitarbeiter*innen noch in den Saal! Zugegebenermaßen – wir sind durch die Halle gerannt und haben dem Platzanweiser buchstäblich unsere Tickets entgegengeworfen. Für die Unterstützung des Teams sind wir immer noch sehr dankbar, die alles andere als selbstverständlich war! Zu den größten Unsitten gehört es nämlich, zur Oper zu spät zu kommen, denn das ist sowohl für die Darsteller*innen als auch die Zuschauer*innen mehr als störend! Als der Saal sich schließlich verdunkelte und die Spannung der Besucher nicht größer sein konnte, hatten wir Jacke und Schal abgelegt, uns in die Sitze sinken lassen und waren mehr als bereit für die Premiere der tschechischen Oper Rusalka.

 

Das Stück, ein lyrisches Märchen in drei Akten, erzählt die Geschichte der Nixe Rusalka, die wegen der Liebe zu einem Prinzen ein Mensch werden möchte. Sie widersetzt sich ihrem Vater, dem Wassermann, und ist bereit, der Hexe Ježibaba im Tausch gegen Beine ihre Stimme zu lassen... na, klingelt's? Bei uns spätestens nach der Tatsache, dass Rusalka in der Menschenwelt keinen Ton mehr von sich gibt! Wir waren für die Verbindung zu unserer Lieblings-Meerjungfrau Arielle mehr als dankbar, denn als Opern-Frischlinge hatten wir die Befürchtung, uns wenig bis gar nicht mit dem Stück identifizieren zu können bzw. keinen Zugang zu finden. Doch so war es ganz und gar nicht!

 

 

 

Wir wurden von der ersten Sekunde an mitgerissen – von der musikalischen Glanzleistung des Orchesters unter der Leitung von Christoph Gedschold, über das zugleich düstere, schillernde und glitzerne Bühnenbild bis hin zum mitreißenden Schauspiel und Gesang der Darsteller*innen. An dieser Stelle sollte gesagt sein: Wir waren skeptisch. Skeptisch, wie es wahrscheinlich viele Halbwissende sind, die noch nie einen Fuß in eine Oper gesetzt haben und nur an Frauen denken, die mit ihrem Gesang Gläser zum Zerplatzen bringen. Würde uns der Gesang stören, ja, vielleicht sogar nach drei Stunden nerven? Die Antwort lautet: Nein!

 

Auch, wenn man noch nie eine Oper von innen gesehen hat und nicht weiß, was nun guten von schlechten Gesang trennt: Bei einem Stück wie Rusalka zählt irgendwann nur noch die Geschichte, die die Darsteller*innen dem Publikum erzählen. Und diese Geschichte erzählen sie mit ihren Stimmen, ihren Gesichtern und ihren Bewegungen. Sie haben uns mitgenommen auf Rusalkas Reise, haben uns staunen lassen, als plötzlich zehn Darstellerinnen unter dem Bett hervorgekrochen sind, die wir zuvor nicht gesehen haben. Haben uns zum Lachen gebracht, als die böse Hexe Ježibaba erneut genüsslich an ihrer Pfeife zog und haben uns gerührt, als das Ende der Liebesgeschichte nicht wie bei Arielle und Eric mit einer Hochzeit, einem Sonnenuntergang und fröhlichen Möven am Himmel zu Ende ging. Obwohl auf tschechisch gesungen wurde, brauchte es kaum einen Blick zum Bildschirm mit der deutschen Übersetzung, um jedes Wort der Darsteller*innen zu verstehen.

Und wenn wir gerade dabei sind, mit Vorurteilen gegenüber der Oper aufzuräumen: Du muss nicht im Ballkleid erscheinen. Klar, es gibt viele Besucher*innen, die sich mit ihren Liebsten einen richtig schönen Abend machen und sich prächtig in Schale schmeißen. Respekt an all die Damen auf Absatz und in Strumpfhosen, die Eberhard gezeigt haben, wo es lang geht! Wir sind zur Vorstellung so gekommen, wie wir sind und haben uns mächtig wohl gefühlt. Und auch der Eintritt kostet dich nicht, wie vielleicht angenommen, dein ganzes Monatsgeld. Keine Sorge, es gibt nach dem Kauf eines Tickets nicht für die restlichen Tage nur Nudeln mit Pesto: Für Studierende gibt's die Tickets im VVK für 50% weniger und Restkarten an der Abendkasse kosten genauso viel, wie dein Kinobesuch: insgesamt 8 Euro – egal, ob erste oder letzte Reihe. Nach der Vorstellung sind wir in zwei Kommilitonninen hineingerannt, die erst kürzlich von diesen Schnapper-Preisen erfahren haben und der Oper seitdem ganz regelmäßig einen Besuch abstatten. 

Die Oper Köln ist auch kein in die Jahre gekommenes Gebäude mit goldenen Geländern, Samtvorhängen und rotem Teppichboden. Ganz im Gegenteil: Meterhohe Decken, weiße Wände und offene Türen erinnern eher an eine coole Industriehalle, in der am Wochenende heimliche Warehouse-Partys geschmissen werden. Kombiniert mit feinsten Pausensnacks und der altbekannten Fritzbrause lässt sich die 25-minütige Pause sehr gut aushalten! 

Summa sumarum, long story short, fassen wir zusammen: Lass dich nicht von irgendwelchen Opern-Knigge-Ratgebern einschüchtern, die dir durch die Zeilen hindurch verraten, dass du von der Oper eigentlich keine Ahnung hast! Tausch doch einfach mal den Kinofilm am Sonntagabend gegen ein Opern-Ticket ein und geh mit so vielen neuen und tollen Eindrücken nach Hause, die du dir am Anfang des Abend nie erträumt hättest. 

 

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Foto Credits: Credit: Paul Leclaire & Rausgegangen