Albrecht Schrader hat mit seinem neuen, selbstbetitelten Album wieder ein Stück
Musik geschaffen, das seinen eigenen Resonanzraum sucht. Bekannt für die
stilvolle Mischung aus zeitlosem Popsound und zeitgenössischen Texten beweist
sich der gebürtige Hamburger nicht ohne Humor, aber ganz sicher ohne Zynismus
ein weiteres Mal als Komponist und Texter mit einem feinen Gefühl für seine Zeit,
und ein bisschen auch für die davor. Es ist im besten aller Sinne uneitel angenehme
Musik, falls es das noch gibt. Und ein formvollendetes Highlight in der bisherigen
Diskographie des Künstlers.
Denn der Dauphin deutschsprachiger Songschreiber bedient auf seinem fünften
Studioalbum souverän die ganze Klaviatur der Musikkomposition. Seine
Vergangenheit als Orchesterleiter ist in den kunstvoll abgestimmten,
wohltemperierten Arrangements hörbar. Auch wenn es in der hiesigen
Musiklandschaft ein schwindendes Genre ist, beweist Schrader, dass organische
Sounds, echte Instrumente, echte Stimmen ohne Autotune und Tracks in
Normalgeschwindigkeit genauso viel Dopamin ausschütten können. Es stellt sich
beim Hören eine ganz besondere Art der Zufriedenheit ein. Vielleicht ist es die
Sortiertheit, vielleicht die Harmonien, oder eine geheime dritte Sache, die Albrecht
Schrader nie oder nur im Exklusivinterview für sehr viel Geld verraten wird. Fakt ist,
einen wie ihn gibt es hierzulande kein zweites Mal.
“Albrecht Schrader” beginnt mit einem erhabenen Akkord. “Die Musik beginnt”
beginnt und was dann folgt sind 9 weitere Songs. 10 ist unumstritten die beste
Anzahl von Tracks für ein Album, aufmerksamen Hörer*innen wird dies bereits bei
vergangenen Veröffentlichungen aufgefallen sein. Wo seine letzte Platte fast schon
ein Discomoment war, besinnt sich Schrader nun wieder mehr auf das Handwerk
des Pop, klassisch instrumentiert mit Klavier, warmen Synthies und eher soften
Drums, eigentlich sogar softer als “Soft” aus 2023. Schrader hat sich die Freude am
schönen Ton bewahrt. Und mit jeder weiteren Veröffentlichung scheint sie noch
mehr zu wachsen. Das beschwingte “Wofür die Liebe sich noch lohnt”, das
bittersüße “Zwanzig Jahre Nikotin”, oder das Flanierstück “Ich lese was hinein” über
die Zweideutigkeiten zwischenmenschlicher Begegnungen – Albrecht Schrader ist
entweder der Feinste in der Kneipe oder der Abgerockteste im Konzerthaus und
beides steht ihm hervorragend.
Dennoch spricht “Albrecht Schrader” auch eine Art weltzugewandte Melancholie,
bewegt sich stets auf der blühenden Seite des Lebens, selbst in Momenten des
Zweifels. Wie in “Ist Musik noch unser Ding”, das fast hymnische Klassentreffen
aktueller deutscher Popschaffenden mit Sinnkrise. Zu hören sind neben Schrader
Saskia Lavaux, Das Paradies, Resi Reiner, Rocko Schamoni, Malonda, Nicola Rost
und schließlich Dirk von Lowtzow. Ist also Musik noch ihr Ding? Die Frage des
Schlusschors bleibt unbeantwortet. Was bleibt, ist die Hoffnung und die leise
Gewissheit, dass es da draußen nicht viel Besseres gibt, um den Stürmen der
Gegenwart zu trotzen. “Albrecht Schrader” ist in diesem Sinne auch Musik für die
Musik, eine Verneigung vor der eigenen Zunft.
Die eingängigen Texte offenbaren erst nach dem dritten Mitsummen ihre
Metaebene, so gut verwoben schiebt Schrader seinem Publikum die kleinen, mal
heiteren, mal schwermütigen Alltagsbeobachtungen unter. Als hätte er eine Art
ritterlichen Ehrenkodex unterzeichnet, zielen seine sprachlichen Spitzen so fein,
sodass die Getroffenen, beispielsweise die Stadt Hamburg (“Ich bin nicht sicher ob
das an Hamburg liegt”), im ersten Moment vielleicht sogar geschmeichelt wären. So
ist es eben mit vielschichtiger Kunst. Sie ist auf viele Arten zu genießen. Ja, Albrecht
Schrader rebelliert im Sitzen. Aber nicht aus Faulheit, sondern aus der klugen
Voraussicht heraus, dass sich das länger durchhalten lässt. Und weil er so am
besten Klavier spielen kann.
Text: Ilona Hartmann
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