Wir freuen uns sehr, die zweite Einzelausstellung der deutschen Malerin Annabell Häfner mit dem Titel „The Void of Now“ in der Galerie Rüdiger Schöttle ankündigen zu dürfen.
In poetischen Traumlandschaften untersucht die Künstlerin das Verhältnis zwischen anthropogener Infrastruktur und der Natur. Die bereits in der letzten Werkphase angelegten abstrahierten landschaftlichen Suggestionen werden zunehmend konkreter. Durch Setzung und Auslassung kommen insbesondere Gebirgsketten und Wolkenformationen eine erhöhte Bedeutung zu. Inspiriert von Sagen aus ihrer Kindheit wie der des Siebengebirges, nach welcher sieben Riesen ebenjene Hügel am Rheinufer geschaffen haben sollen, erkundet Häfner Mythen und Legenden.
Eine ihrer Inspirationsquellen – japanische Farbholzschnitte und Malereien des Ukiyo-e, die auf das Japan des 17. Jahrhunderts zurückgehen – tritt nun stärker in Erscheinung. Farbschemata und kompositorische Elemente, sowie auch Sujets scheinen dem Ukiyo-e, und spezifischer dem Subgenre Fūkei-ga entlehnt. Besonders die klare und simplifizierte Linienführung und Formsprache, das Verwenden kräftiger, aber kontrastreduzierter Farbe und die daraus resultierende gedämpfte Bildstimmung verweisen auf die oft graphisch wirkenden, zweidimensional gestalteten Bilder der Edo-Zeit.
Annabell Häfners lyrische Bilder nehmen in ihrem horizontal angelegten Bildaufbau und der Formation diffuser Farbfelder nicht zuletzt auch Bezug auf inhaltliche und formale Aspekte des Color Field Painting. Spätestens seit dem Aufkommen der Farbfeldmalerei in den 1940ern kommt der Farbe in Relation zum Raum eine qualitativ neue Bedeutung zu. Michel Foucault spricht 1967 vom „Zeitalter des Raumes“ und greift damit den spatial turn – eine Hinwendung zum Raum – auf, die sich ab den 1960er Jahren in Kunstforschung und -praxis vollzieht. Bei Annabell Häfner ist dieser Farbraum nicht nur abstrahiert zu verstehen, sondern formiert sich faktisch kompositorisch in einer seriell wiederholten Raumstruktur, die perspektivisch ein „Innen“ und „Außen“ suggeriert, welches symbiotisch zu einer hochsensiblen Entität verschmilzt. Die Horizontalität des Bildaufbaus wird durch wenige, fein-pointierte vertikale Linien durchschnitten, die wie eine technische Bildstörung wirken.
Eben jener Glitch eröffnet noch eine weitere wesentliche inhaltliche Dimension in den Werken Häfners, vor dessen Hintergrund ihre Arbeiten betrachtet werden können. In ihrer Surrealität wirken die Gemälde seltsam anachronistisch; retrospektiv und zukunftsgewandt zugleich. Durch die gewählte Farbigkeit und perspektivische Unstimmigkeiten wird ihre Fiktionalität und Artifizialität hervorgehoben. Dies erinnert zwangsläufig an virtuelle, imaginierte Bildwelten, wie wir sie aus neueren immersiven Anwendungen kennen, die in ihrer gestalterischen Optionsvielfalt die Möglichkeiten der physischen Realität transzendieren können.
Annabell Häfner’s „Nicht-Orte“ – ein Konzept, das auf den französischen Anthropologen Marc Augé zurückgeht – dienen ihr als Metaphern für eine effizienz- und geschwindigkeitsgesteigerte, global-vernetzte Multioptionsgesellschaft. Gleichsam verweisen sie auf eine Paradoxie im Umgang mit der Natur, die einerseits als archetypischer Zufluchts-, Rückzugs- und Sehnsuchtsort behandelt wird, und andererseits als Folge technischen Fortschritts des Anthropozäns Destruktion und Ausbeutung erfährt.
Annabell Häfner (*1993 in Bonn) studierte von 2014-2020 an der Kunsthochschule Weissensee, Berlin in der Klasse von Werner Liebmann. 2020-2021 war sie Meisterschülerin von Prof. Nader Ahriman. Sie war Trägerin des Mart Stam Preises 2020 und erhielt das Inside Art Fellowship 2020. Ihre Werke wurden unter anderem im Rundgang 50Hertz im Hamburger Bahnhof, Berlin gezeigt und befinden sich bereits in renommierten Privatsammlungen, insbesondere in Deutschland und den USA. 2024 war sie Nominierte des Kallmann-Preises, wofür im Frühjahr 2025 einzelne Werke im Kallmann-Museum ausgestellt werden.