Aufbruch: Hinter den Fassaden

Das sagt der/die Veranstalter:in:

Eine Frau steht im Zentrum des Bronzereliefs „Aufbruch“. Wie eine sozialistische Revolutionsikone in wehendem Kleid wird sie umringt von Männern, die sich ihrem Mut zum Fortschritt fast verdruckst anschließen. Vorwärts immer, jaja. Nach dem Systembruch 1989 war der Glaube an die sozialistische Überlegenheit verschwunden, auch das Relief wurde von seinem prominenten Platz an der Fassade der Universität Leipzig auf den Sportcampus an der Jahnallee verdrängt. Nur das Klischee der starken Frau hat überdauert.
Die Künstlerin Jule Würfel blickt anlässlich des Lichtfests wortwörtlich „Hinter die Fassade“ des sozialistischen Frauenbildes — und des Bronzereliefs. In ihrer Videoinstallation kontrastiert sie das statische Bild mit Interviewsequenzen mit Harriet Wollert. Sie war Mitglied der expressiven „Künsterinnengruppe Erfurt“ und berichtet von einer Zeit zwischen politischer Gewalt und persönlicher Befreiung. Austragungsort ist immer wieder der weibliche Körper. In eindringlichem Ton erzählt Wollert von einem Aufenthalt in der als „Tripperburg“ bezeichneten geschlossenen Venerologischen Station in Erfurt, von Zwangsadoptionen ihrer Kinder, von einer Haftstrafe in Leipzig. Eine „Herumtreiberin“ sei sie gewesen, weil sie sich im kapitalistischen Ausland verliebt hatte — und ist, wie vermutlich tausende Frauen, für diese Liebe beschämt und bestraft worden.
Umrahmt wird die Arbeit von Flaggen direkt vor dem Sportforum, die verwaschene Flyer von DDR-Frauen- und Lesbengruppen zeigen. Sie gehören zur „Lila Offensive“ der Künstlerin Julia Lübbecke. Beide Arbeiten umkreisen die Frage nach weiblicher Emanzipation — und was davon übriggeblieben ist. „Einmal im Leben, zur rechten Zeit, muss man an Unmögliches geglaubt haben“, zitiert Würfels Zeitzeugin die Schriftstellerin Christa Wolf — und schlägt damit die Brücke zurück zur Frau im wehenden Kleid auf dem Relief.