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Cavalleria rusticana / Pagliacci

Das sagt der/die Veranstalter:in:
Die zwei bis heute populärsten Stücke des Verismo, die Ende des 19. Jahrhunderts die italienische Musikwelt eroberten, bilden zugleich den wohl beliebtesten Doppelabend des Opernrepertoires: Das blutig endende Eifersuchtsdrama von Pietro Mascagnis CAVALLERIA RUSTICANA und die nicht minder tragisch endenden PAGLIACCI Ruggero Leoncavallos über eine fahrende Schauspielertruppe und die Rache des betrogenen Bajazzos an Frau und Liebhaber … Dirigent: Paolo Arrivabeni; Inszenierung: David Pountney; Mit Anja Harteros, Mikhail Pirogov, Amartuvshin Enkhbat, Sua Jo u. a.
Es kann beruhigend sein zu wissen, dass die Tränen, die auf der Bühne vergossen werden, falsch sind, dass die Gefühle nur gespielt sind und die Schmerzen von den Darstellern nicht wirklich durchlitten werden. Beruhigung aber ist nicht die Sache der jungen italienischen Komponisten an der Schwelle zum 20. Jahrhundert, im Gegenteil: aufrütteln wollten sie die Zuschauer, sie hineinziehen in den Strudel der Gefühle, sie überrumpeln mit den komischen und tragischen Wendungen, die ihre dem Leben abgeschauten Geschichten nehmen.

In der literarischen Bewegung des ‚verismo’ [abgeleitet aus ‚il vero’ = das Wahre/die Wahrheit] fanden sie ihr Anliegen vorgeformt, und es ist nur konsequent, dass Pietro Mascagni als Vorlage für seinen Erstling eine Novelle von deren Hauptvertreter Giovanni Verga auswählte. Cavalleria rusticana [der deutsche Titel ist: Sizilianische Bauernehre] hatte seine Bühnentauglichkeit schon in einer Dramatisierung unter Beweis gestellt, die auch in Mascagnis Heimatstadt Livorno gezeigt wurde. 1880 war die Erzählung erschienen in der Sammlung Vita dei campi, was eigentlich Leben auf dem Lande heißt, wegen der Herkunft des Autors in der deutschen Übersetzung jedoch meist Sizilianische Dorfgeschichten genannt wird.

Mühelos gewann Mascagni mit seinem Erstling den Kompositionswettbewerb, den der Verleger Sonzogno 1888/89 für Operneinakter ausgeschrieben hatte. Die überaus erfolgreiche Uraufführung im römischen Teatro Costanzi am 17. Mai 1890 darf als Geburtsstunde des musikalischen ‚verismo’ gelten.

Zwei Jahre später erst schrieb Ruggero Leoncavallo die Kurzoper PAGLIACCI mit dem berühmten Prolog. Der deutsche Titel DER BAJAZZO setzt richtigerweise die Hauptfigur in die Einzahl, die Mehrzahl im italienischen Original wurde von dem berühmten Sänger Victor Maurel erzwungen, der als Tonio den Prolog zu singen hatte und dessen Rolle sonst im Titel des Werks nicht erschienen wäre.

Der gesungene Prolog enthalt das Credo des ‚verismo’: „Der Künstler ist ein Mensch und muss für Menschen schreiben. [...] Wir sind Menschen aus Fleisch und Blut und wir atmen genauso wie Ihr den Hauch dieser verlorenen Welt.“ Der dialektische Kunstgriff Leoncavallos ist, dass in seiner den „Vermischten Meldungen“ einer Zeitung ähnelnden Geschichte die Tragödie sich gerade deshalb zuspitzt, weil der Darsteller des Bajazzo Spiel und Ernst nicht mehr zu trennen vermag.

Die Kombination dieser beiden Kulminationspunkte des musikalischen „verismo“ zum Doppelabend, im Englischen mit dem Kürzel CAV & PAG versehen, hat sich seit Beginn des 20. Jahrhunderts eingebürgert. Wie Zwillinge gleichen sie sich und konnten doch nicht unterschiedlicher sein: die Ouvertüre wird durch Gesang unterbrochen, ein Zwischenspiel verbindet die beiden Akte [ja, natürlich ist CAVALLERIA RUSTICANA auch ein Zweiakter, nur die Wettbewerbsbedingungen forderten, dass auf dem Titelblatt ‚in einem Akt’ steht!], süditalienisches Ambiente in der Gegenwart der Autoren, Genreszenen der Chöre mit Beschreibung von Orangenduft oder Kirchenglocken. Sonst aber: spätes Aufblühen von Belcanto bei Mascagni, Leitmotive und vielfältige Orchestereffekte bei Leoncavallo, Dominanz der Kirche und der engstirnigen Moral fast wie bei Garcia Lorca hier und pralles Leben mit Lust auf Zerstreuung dort.

Location

Deutsche Oper Berlin Bismarckstr. 35 10627 Berlin

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