Auf seinem siebten Album „Dagobert und die wahre Musik vom südlichen Blütenland“ erfindet sich der charismatische Crooner aus den Schweizer Bergen komplett neu. Nach einem guten Jahrzehnt voller Selfmade-Indie-Perlen über unerfüllte Liebe werden hier plötzlich komplexe gesellschaftliche Themen abgehandelt und uns als High-End-R’n’B-Produktionen serviert, in welchen niemals eine wohlige und sanfte Tanzbarkeit verloren geht. Jeder einzelne Song ist ein Wagnis und ein Volltreffer zugleich.
Aufgenommen an der Pazifikküste Panamas startet dieses entzückende Album mit einer einladenden Geräuschkulisse aus freundlichen Tieren und schönen Wellen und den Worten „Ich bin im Paradies“. Tatsächlich fühlt man sich in den folgenden 36 Minuten genau so, nämlich wohlbehütet im schönsten Teil des Dagobert-Kosmos, in welchem auch ungewohnt sozialkritische Töne in pure Liebe eingebettet sind. Im Opener „Meine Liebe für dich“ wird bereits Dagoberts gewohntes Spannungsfeld zwischen Sehnsucht und Einsamkeit neu definiert. „Hier ist meine Liebe für Dich / Du darfst alles und du musst nichts / bitte nimm auf mich keine Rücksicht“. Aus der schmerzverzerrten Sehnsucht vergangener Tage ist selbstlose und allgegenwärtige, pure Liebe geworden. Im darauffolgenden Track „Fremder“ hört man dann erstmals deutlich die Einflüsse des chinesischen Philosophen Zhuangzi, dessen Hauptwerk „Das wahre Buch vom südlichen Blütenland“ Namensgeber und Inspiration für dieses Album war. Es wird über den Verlust von Authentizität und Identität fabuliert, infolgedessen die Fremdheit als etwas Natürliches, Unvermeidliches und in der Existenz des Menschen verwurzeltes anerkannt wird. „Im Menschenstall“ ist dann eine friedliche R’n’B-Hymne auf ein Leben jenseits des Kapitalismus: „Die Welt der Dinge liegt / Da wo es mich nicht mehr gibt“ heisst es darin. Ein Lied über die ambivalente Sehnsucht nach Verbindung und Isolation, welche in der Selbstentfaltung in der Anonymität mündet, nennt Dagobert „Ich will allein sein oder mit Menschen die ich nicht kenne“ und dürfte jedem aus der Seele sprechen, der schon einmal genug hatte von allen Menschen. All diese allgemeingültigen und unerwartet tiefgründigen Paradigmen werden uns zu soften, tanzbaren Beats und mit der Leichtigkeit eines Luther Vandross vorgetragen.
Auch an illustren Gästen mangelt es diesem Album nicht. Auf eine gospelartige Pianoballade mit den Schweizer Tenören „I Quattro“ folgt ein vierteiliges R’n’B-Epos mit dem profanen Titel „Ich brauch ein Bier“ in welchem sogar die Deutschrap- Superstars von K.I.Z. mitmischen. Selten wurde eine so simple Empfindung musikalisch so genau auf den Punkt getroffen, wodurch ein ganzes Lebensgefühl manifestiert und hinter dem hedonistischen Verlangen nach einem Bier ein komplexer nonkonformistischer Widerstand gegen die überholte Normierung des Alltags aufgedeckt wird. Bemerkenswert auch, wie Dagobert in dem Song „Monosodium“ einerseits bloss ein Reisrezept rezitiert, andererseits gleichzeitig auf tief verwurzelte, unbewusste Vorurteile gegenüber asiatischen Kulturen hinweist, die für den schlechten Ruf des in Mitteleuropa fälschlicherweise als gesundheitsschädigend stigmatisierten Geschmacksverstärkers Mononatriumglutamat verantwortlich sind.
Am Ende dieses erfrischenden und erhellenden Exkurses durch verschiedene, von Konrad Betcher kongenial produzierten Gesellschaftsabbildungen in R’n’B-Form steht die Erkenntnis, dass Dagobert hier massenhaft Hits abgeliefert hat und dass es für ihn musikalisch keine Grenzen zu geben scheint. Wir dürfen also auch in Zukunft auf Überraschungen gefasst sein und freuen uns mehr denn je auf alles was noch kommt.
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