Der Kampf um einen anderen ÖPNV in Schweden
Wie sieht der Kampf für einen anderen ÖPNV in Schweden aus? Aktivist*innen der Gruppe „Allt åt alla“ (Alles für Alle) berichten von ihren Erfahrung und diskutieren gemeinsam mit Aktivist*innen der Kampagne „Wir fahren zusammen“ über den Kampf für einen klimagerechten ÖPNV.
Die Gruppe „Allt åt alla“ (Alles für Alle) beschäftigt sich seit einem dreitägigen wilden Streik in den Stockholmer Pendlerzügen im März 2023 mit der Organisierung im öffentlichen Nahverkehr. Die Forderung des Streiks war die Wiedereinstellung von Zugbegleitern. Um Kosten zu sparen, hatte der Zugbetreiber MTR damit begonnen, alle Zugbegleiter zu kündigen und ihre Aufgaben auf die Lokführer zu übertragen. Dadurch blieben die Fahrer in Notfällen allein und waren zu sehr damit beschäftigt, die Fahrgäste über die ständigen Verspätungen und Fahrausfälle zu informieren. Der Streik fand unter den Fahrgästen breite Unterstützung und brachte schnell 300 000 Euro an Streikgeldern ein.
In Schweden ist der öffentliche Verkehr nur in den großen städtischen Gebieten ein wichtiger Verkehrsträger. In Stockholm wird die Hälfte der motorisierten Transporte mit öffentlichen Verkehrsmitteln durchgeführt und die meisten Stockholmer nutzen sie wöchentlich. Aber die Hälfte der schwedischen Bevölkerung nutzt den öffentlichen Verkehr weniger als einmal im Monat.
SL, das Akronym für den öffentlichen Nahverkehr in Stockholm, wurde seit den 1990er Jahren vermarktet. Heute konkurrieren einige wenige multinationale Unternehmen um 10-Jahres-Verträge. Da die Löhne durch Kollektivverträge festgelegt sind, konkurrieren die Unternehmen vor allem durch die Erhöhung der Arbeitszeitverdichtung und durch die Auslagerung von Reinigungs- und Wartungsarbeiten. Die SL wird zu 50 % aus zwei Quellen finanziert: Fahrkarten und Einkommenssteuern.
Seit einem Jahr experimentiert die Gruppe mit verschiedenen Ansätzen für den öffentlichen Nahverkehr: Sie organisieren sich gemeinsam mit den Gewerkschaften für die Rekommunalisierung der SL (d.h. die Beendigung des Marktmodells und die Übergabe aller Aufgaben an den öffentlichen Sektor), verteilen Informationen in den U-Bahnen und publizieren Informationen über "korrupte" Politiker/Unternehmensvertreter, die vom SL-Markt profitieren.
Ihr langfristiges Ziel ist es, die SL durch eine Allianz von Arbeiter*innen, Fahrer*innen und Klimaaktivist*innen zu sozialisieren und zu demokratisieren.
Gemeinsam mit den Erfahrungen im Rahmen der Kampagne „Wir fahren zusammen" wollen wir mit den Referent*innen aus Schweden diskutieren, wie ein Kampf um einen klimagerechten ÖPNV aussehen kann.