FOTO: © Der Kultur- und Wissenschaftspalast (Pałac Kultury i Nauki, PKiN) in Warschau (c) Valentyn Chernetskyi / Unsplash

Der Warschauer Kulturpalast als Epizentrum urbaner Transformationen. Paläste fürs Volk. Kulturpaläste im Osten Europas vor und nach 1989

Gesprochenes Talk Politik
Das sagt der/die Veranstalter:in:

In der Bildungs- und Kulturpolitik sozialistischer Staaten spielten Kulturpaläste eine zentrale Rolle: Als Orte der Begegnung und Bildung, der Kultur und des Sports waren sie Teil des staatssozialistischen Social Engineering.

Zugleich waren sie architektonische Ikonen vieler ost-, mittel- und südeuropäischer Hauptstädte. Doch Kulturpaläste waren nicht nur in den sozialistischen Metropolen zu finden – auch in Kleinstädten und Peripherien wurden systematisch Kulturhäuser errichtet, in denen die Bevölkerung Bildungs-, Kultur- und Sportangebote wahrnehmen konnte, die zugleich der Formung des „sozialistischen Menschen“ dienten. In den Wendejahren um 1989 spielten Kulturhäuser und -paläste dann als physische Orte eine wichtige Rolle in der Systemtransformation. Und heute? Der Umgang mit dem architektonischen und kulturellen Erbe der Paläste ist so vielfältig wie die Gesellschaften Mittel-, Ost-, und Südosteuropas. In fünf Paneldiskussionen, kuratiert von der Bundeszentrale für politische Bildung, blicken Besucher*innen des Humboldt Forums zusammen mit Gästen aus den jeweiligen Ländern auf Warschau, Kyjiw, Belgrad und Minsk. Dabei erfahren sie mehr über die sozialistische Idee der Kulturpaläste, urbane Debatten, Revolutionen im städtischen Raum, internationale Diskurse, politische Proteste, Staatsgewalt und schrumpfende Räume für Kultur.

Kaum ein Mensch in Warschau, der keine klare Meinung zum Kulturpalast hat. Das einstige „Geschenk“ Stalins prägt die Silhouette der Stadt seit den 1950er Jahren. Mehrmals gab es Pläne, den riesigen Gebäudekomplex abzureißen, doch bis heute dominiert er die Innenstadt. Der Kulturpalast beherbergte u. a. ein Kino, ein Theater, Restaurants, Sportstätten, Veranstaltungssäle und ein Schwimmbad. Von der neu gestalteten Aussichtsterrasse mit Blick über die Stadt schauen Tourist*innen heute auf gläserne Wolkenkratzer internationaler Konzerne, die in den Warschauer Himmel ragen. Längst ist der Bau eine „sozialistische Enklave in einer postsozialistischen Stadt“ (Michał Murawski), denn Warschau hat mehr Shoppingmalls und Gated Communities als Berlin, und seit Jahren steigen die Immobilienpreise. Auch in Warschau diskutiert man deshalb darüber, wem die Stadt gehört. In dem Panel beleuchten wir die Frage, wie die Menschen vor Ort mit dem Erbe des Kulturpalasts umgehen – und welche Debatten um Verdrängung und Gentrifizierung sie in einer dynamischen europäischen Hauptstadt führen.

Die Reihe „Paläste fürs Volk. Kulturpaläste im Osten Europas vor und nach 1989“ wird kuratiert von der Bundeszentrale für politische Bildung.

Begrüßung und Einführung

Carolin Savchuk, Referentin für Russland und Belarus, Projektgruppe Mittel-, Ost- und Südosteuropa der Bundeszentrale für politische Bildung

Referent*innen

Michał Murawski, Associate Professor für Critical Area Studies, University College London

Martyna Obarska, Kulturwissenschaftlerin, Fakultät für Geisteswissenschaften, Abteilung für Kultur und Medien, Universität SWPS, Warschau

Moderation

Emilia Smechowski, Chefredakteurin ZEITmagazin, Berlin

BETEILIGTE

Carolin Savchuk arbeitete nach ihrem Studium der Sprachen, Wirtschafts- und Kulturraumstudien mit Schwerpunkt Mittel- und Osteuropa an der Universität Passau über zehn Jahre als freiberufliche Facilitatorin und Trainerin mit Kulturmanager:innen in Osteuropa, Zentralasien und im Südkaukasus. Ab 2017 baute sie im Museum Berlin-Karlshorst, historischer Ort des Kriegsendes in Europa im Mai 1945, den Bereich Bildung & Vermittlung auf und leitete diesen bis 2023. Seit Mai dieses Jahrs ist sie Referentin in der Projektgruppe Mittel- / Ost- und Südosteuropa der Bundeszentrale für Politische Bildung in Berlin.

Michał Murawski ist Anthropologe für Architektur und Städte. Er ist Associate Professor für Critical Area Studies an der School of Slavonic and East European Studies des University College London. Sein erstes Buch, The Palace Complex: A Stalinist Skyscraper, Capitalist Warsaw and a City Transfixed wurde 2019 bei Indiana University Press veröffentlicht; sein zweites Buch, Recolonial Russia: Architecture, Ecology and Violence in Putin’s Paradise, erscheint 2025 bei MIT Press und wird derzeit fertiggestellt. Er ist Direktor des FRINGE Centre for the Study of Social and Cultural Complexity und Mitbegründer von PPV (Perverting the Power Vertical: Politics and Aesthetics), einer Seminar- und Veranstaltungsplattform am UCL.

Martyna Obarska – Kulturwissenschaftlerin, Fakultät für Geisteswissenschaften in Warschau, Abteilung für Kultur und Medien, Universität SWPS, Warschau. Sie forscht, lehrt und beschreibt (auch in populärwissenschaftlicher Form), wie sich Städte verändern und lehrt Geisteswissenschaften und Design an der SWPS Warschau. In ihrer Arbeit befasst sie sich mit Initiativen an der Schnittstelle von Architektur, Stadtplanung und sozialem Handeln, die in polnischen und internationalen Städten entstehen. Martyna Obarska ist Leiterin des Programms „Resilient City“ am Zentrum für Klimawandel und nachhaltige Entwicklung und des Teams der SWPS-Universität, das eine neue Strategie für die Stadt Sopot vorbereitet. Sie ist außerdem stellvertretende Chefredakteurin des Stadtmagazins „Magazyn Miasta“ und Mitbegründerin der SAS School of Community Architecture – einem Raum für Bildung und Reflexion über die Rolle der sozialen Verantwortung des Architektenberufs.

Emilia Smechowski ist Chefredakteurin des ZEITmagazins. Sie wurde 1983 in Wejherowo/Polen geboren und emigrierte 1988 mit ihren Eltern nach Berlin. Sie war Redakteurin der taz, arbeitete als freie Reporterin für die ZEIT, den Spiegel und die Süddeutsche Zeitung. Seit 2020 ist sie beim ZEITmagazin. Sie schreib zwei Bücher, „Wir Strebermigranten“ (2017, Hanser Berlin) und „Rückkehr nach Polen“ (2019, Hanser Berlin), nachdem sie ein Jahr lang mit ihrer Tochter in Danzig gelebt hatte.

- kostenfrei

- Sprache: Deutsch / Simultanübersetzung: Englisch-Deutsch und Belarussisch-Deutsch

- Dauer: 60 min

- ab 14 Jahre

- Ort: Mechanische Arena im Foyer

- Gehört zu: Post/Sozialistische Paläste

Location

Humboldt Forum Schloßplatz 10178 Berlin

Hol dir jetzt die Rausgegangen App!

Sei immer up-to-date mit den neuesten Veranstaltungen in Berlin!