Können wir unseren Abfall alchemisieren?
Während die steigenden Meeresspiegel ganze Länder überfluten, schafft die globale Ordnung eine neue Art Souveränität: eine Inselnation aus Treibgut, die an den im Pazifik treibenden Plastikmüll angedockt ist. Ganze Dörfer in den Kartografien der Abfallentsorgung sind unter Bergen von ausgelagertem Müll begraben, dem Substrat und Vorläufer einer gefährlichen Entsorgungswirtschaft. Sogenannte „Ewigkeits-Chemikalien“ aus dem Plastik von Einwegprodukten sickern in die Wassersysteme ein, sie vergiften und sterilisieren überproportional häufig Kinder, Migrant*innen, Geflüchtete und andere Körper, die oft nicht viel mehr gelten als „Wegwerfprodukte“.
Im digitalen Zeitalter, in dem eine Flut von Informationen durch die Siebe des Bewusstseins gespült wird und im Handumdrehen wieder vergessen ist, stellen die Überbleibsel des unermüdlichen Konsums ein einzigartiges analoges Dilemma dar: Plastik weigert sich beharrlich, zu vergehen und dem einfachen Allheilmittel des Vergessens überantwortet zu werden.
Der Schriftsteller Choo Yi Feng nähert sich dem komplexen Beziehungsgeflecht, in dem Abfälle und Trümmer stehen, und er erkundet, wie sie die menschlichen Vorstellungen von Leben und Tod durcheinanderwerfen. Dabei greift er auf Lebensläufe und Schauplätze aus seiner ersten Kurzgeschichtensammlung The Waiting Room (Der Wartesaal, 2024) zurück. Mit seinen spekulativen Fiktionen lädt der Autor dazu ein, über das zähe Nachleben von Abfällen nachzudenken. Choo Yi Fengs Einsichten sind durch seinen wissenschaftlichen Hintergrund als Ökologe untermauert. Während die Menschen Tag für Tag versuchen, die Spuren unserer weggeworfenen Welt zu vergessen, und immer wieder daran scheitern, stellt sich die Frage: Was wäre, wenn wir stattdessen das Wissen aufsaugten, das unser riesiges, globales Mülldepot zu bieten hat?