Endlich war es so weit, das große Fest begann! Ein rauschendes Fest mit allem Drum und Dran sollte es werden, gefeiert zu Ehren der neugeborenen Königstochter. Alle waren eingeladen, auch die Feen, von denen jede einen goldenen Teller an der großen Festtafel bekam. Zwar waren nur zwölf Teller vorhanden, doch auch dafür fand man eine Lösung: die dreizehnte Fee wurde einfach nicht eingeladen. Die anwesenden Feen beschenkten das Kind der Reihe nach mit Wundergaben: die eine mit Tugend, die andere mit Schönheit, die dritte mit Reichtum. Doch bevor die letzte der Feen ihren guten Wunsch aussprechen konnte, trat die dreizehnte herein, die nicht eingeladen worden war – gekränkt und voller Wut. Und sie sprach einen furchtbaren Fluch: „Die Königstochter soll sich in ihrem fünfzehnten Jahr an einer Spindel stechen und tot hinfallen.“ Da trat die zwölfte der Feen hervor, die ihren Wunsch noch übrig hatte, und weil sie den bösen Spruch nicht aufheben, sondern nur mildern konnte, sagte sie: „Es soll aber kein Tod sein, sondern ein hundertjähriger tiefer Schlaf, in welchen die Königstochter fällt.“ Und obwohl der König im ganzen Reich Boten ausschickte und alle Spindeln verbrennen ließ, kam es wie es kommen musste. Der Stich einer Spindel ließ die Königstochter in einen tiefen Schlaf fallen und mit ihr den ganzen Hofstaat, bis hin zu den Tauben auf dem Dach. Und eine dichte Dornenhecke wuchs und umgab das schlafende Schloss …
Das Märchen des Hundertjährigen Schlafes fasziniert seit Jahrhunderten Kinder wie Erwachsene. Es geht zurück auf Charles Perraults Geschichte La belle au bois dormant (Die schlafende Schöne im Wald), die 1697 erschien. Dank Marie Hassenpflug, eine Freundin von Jakob und Wilhelm Grimm, wurde das Märchen auch in Deutschland berühmt. Die älteste Tochter eines Verwaltungsbeamten mit französischen Wurzeln, erzählte ihnen gleich mehrere Geschichten. Die Grimms nahmen Dornröschen in ihre Kinder- und Hausmärchen auf. Es wurde eines der populärsten Märchen der Sammlung.