Wenn Sprache verschwindet – Dr. Ellen Pearlman über Künstliche Intelligenz und Erinnerung.
Das MiR.LAB startet seine erste Residenz: In Gelsenkirchen zu Gast aus New York ist die international arbeitende Künstlerin und Forscherin Dr. Ellen Pearlman. Zwei Wochen lang arbeitet sie mit dem Team des MiR.LAB an der Entwicklung neuer künstlerischer Ansätze für die Verbindung von Künstlicher Intelligenz und Musiktheater. Zum Abschluss gibt sie im Vortrag über KI und Erinnerung Einblicke in ihre wegweisende Arbeit.
Wie werden wir uns erinnern? Dr. Ellen Pearlman stellt das Projekt „Language Is Leaving Me – An AI Cinematic Opera Of The Skin“ vor. In diesem Werk wird Künstliche Intelligenz mit biometrischen Daten, wie Haut- und Muskelmessungen, in Verbindung gebracht. Das Projekt wurde bereits mit dem „Lumen Prize Moving Image Award in AI“ ausgezeichnet und gehört zu den „Top 50 Immersive Experiences of 2023“ des Columbia Digital Storytelling Lab. „Language Is Leaving Me“ (LILM) thematisiert, wie Künstliche Intelligenzen menschliche Wahrnehmung, unser Gedächtnis und unsere individuellen Identitäten beeinflussen – auf teils verstörende Weise. Zentrales Thema des Werkes ist die vererbte Erinnerung. Besonders im Hinblick auf Kulturen, die eine Diaspora erleben oder erlebt haben, werden Erinnerungen als generationsübergreifendes Erbe betrachtet. Traumatische kollektive Erinnerungen können sich auf die DNA auswirken und über Generationen hinweg weitergegeben werden.
Dr. Pearlman zeigt, wie KI versucht, solche komplexen Erinnerungen zu verstehen und darzustellen – und wie dabei die ursprüngliche Bedeutung häufig verfälscht wird. Dafür nutzt sie Datensätze und große Sprachmodelle (wie Laion 5-B über die Software Stable Diffusion), die die Grundlage der KI-Modelle bilden. Mit Hilfe dieser Technologien kann Künstliche Intelligenz Inhalte wie Bilder und Texte lesen und analysieren. In „Language Is Leaving Me“ wird durch diese Techniken ein Video sowie eine KI-basierte Darstellung von Erinnerungen erstellt. Dies ermöglicht einen direkten Vergleich zwischen Video und KI, um den künstlich erzeugten Gedächtnisverlust zu verdeutlichen. Die Aufführung bezeichnet Dr. Pearlman als eine multilinguale Oper, die in Englisch, Jiddisch, Chinesisch, Tamil und Xhosa gezeigt wird. Sie setzt sich mit der Frage auseinander, wie KI Erinnerungen verändert, ihre Bedeutung entzieht und sie manchmal sogar auslöscht.