Feuerwerk ist eine Kunst des Augenblicks, von der nichts bleibt als schöne Erinnerung und sehr viel Müll. Seit Jahrhunderten ist sie die materialintensivste und teuerste Kunstform überhaupt. Heute wissen wir: Die Verschwendung und der ökologische Wahnsinn, die hinter dem schönen Moment stehen, sind nicht zukunftsfähig. Doch was wissen wir über die Entwicklung der Feuerwerkskünste, ihre Hochburgen, ihre mediale und politische Bedeutung? Und: Wie sieht die Zukunft dieser Kunstform aus? In der Ausstellung „Durchgeknallt und abgebrannt“ sucht die Kunstbibliothek gemeinsam mit ihren Sammlungsobjekten, zeitgenössischen Künstler*innen, dem Publikum und Akteuren aus Wissenschaft und Umweltschutz nach Antworten.
Im Mittelpunkt der Ausstellung „Durchgeknallt und abgebrannt“ steht ein noch nie gezeigter Teilbestand der Kunstbibliothek aus dem 16., 17. und 18. Jahrhundert: Über 70 teils großformatige Kupferstiche sowie rund 40 historische Bücher, die über die Entwicklung des Feuerwerks für Kriegs- und Festzwecke Auskunft geben. Das Diskussionspotential, das sich zwischen der festlichen Schönheit und dem kriegerischen Irrsinn der Pyrotechnik entfaltet, fordert dazu heraus, diese Schätze über den Jahreswechsel auszustellen. Bereichert wird die Ausstellung aus dem Netzwerk der Staatlichen Museen zu Berlin mit Leihgaben aus dem Ethnologischen Museum, der Gemäldegalerie, dem Hamburger Bahnhof – Nationalgalerie der Gegenwart, dem Kupferstichkabinett, dem Museum für Asiatische Kunst, dem Museum Europäischer Kulturen, dem Museum für Islamische Kunst, der Sammlung Fotografie der Kunstbibliothek und dem Rathgen-Forschungslabor.
Die Ausstellung beginnt mit einem Blick in die globale Geschichte des Feuerwerks und widmet sich dann den europäischen Höfen des Absolutismus als Hotspots, an denen sich Feuerwerk im ganzen Spektrum zwischen Genie und Wahnsinn entfalten konnte. Mit kriegerischem Ernst, herrschaftlichem Repräsentationsanspruch und medienwirksamer Ressourcenverschwendung überboten sich Akteure aus Versailles, Wien, München und Dresden. Die ausgestellten Kupferstiche bezeugen ein pyrotechnisches Wettrüsten der Höfe. Friedensbeschlüsse, Jubiläen, Bündnisbekundungen, Geburten, Hochzeiten und Taufen waren willkommene Anlässe, mit künstlichen und im Augenblick vergehenden Himmelsspektakeln bleibenden Eindruck zu machen.
Die Feuerwerkskunst ist eine genuin interdisziplinäre Kunstrichtung. Jedes Feuerwerk war das Ergebnis einer monatelangen Zusammenarbeit von Architekten, Bühnenbildnern, Pyrotechnikern, Choreographen und Musikern. Auch die sogenannte ‚Kriegskunst‘ mischte mit. Feuerwerkstraktate wie „De la Pyrotechnia“ (1540) von Vanoccio Biringuccio oder die „Halinitro-Pyrobolia“ (1627) von Josef Furttenbach entstanden auf der Grundlage militärischen Wissens. Und schließlich waren auch die in Kupfer gestochenen Darstellungen von Feuerwerken eine Kunst für sich. Lange vor Erfindung des Films vollbrachten die bildenden Künstler filmische Wunder. Sie bannten die Sensationen eines abendfüllenden Feuerwerksprogramms in ein einziges Bild: Feuerräder, brennende Schriftzüge, Schwärmer, Wasserbomben, Raketen, Feuerbäume, Girandolen, choreografierte Schlachten zu Wasser und zu Lande.
Europa und seine absolutistischen Herrscher perfektionierten die theatrale und architektonisch aufwendige Feuerwerksaufführung. In der Kunstform Feuerwerk fand die Vorliebe des Barocks für den vorsätzlichen ökonomischen Irrsinn und die effektvolle Verschwendung ihren Höhepunkt. Ganze Schlösser, Tempel, Burgen, Schiffe und eigens geschaffene Ungeheuer wurden aufgebaut und abgebrannt. So hielt Claude Lorrain Anfang Februar 1637 in mehreren Stichen die Aktionen anlässlich der Krönung Ferdinand III. zum „König der Römer“ fest: Ein Schloss auf quadratischem Grundriss explodiert und gibt den Blick frei auf einen runden Turm. Dieser fliegt wiederum in die Luft und es erscheint die Reiterstatue des Königs der Römer.
Ausgewählte Arbeiten von Malte Bartsch, Daniel T. Braun, Cai Guoqiang, Sandra Kranich, Roman Signer und Michael Wesely kontrastieren in je eigener Weise die historischen Kupferstiche. Ob witzig oder überwältigend, ironisch oder zerstörerisch: Die berstend-eruptive Kraft des Feuers zeigt sich in mannigfacher Gestalt.
Der Ausstellungsraum wird zugleich Veranstaltungsplattform sein. Gespräche, Führungen, Filme und Diskussionen inmitten der Werke bieten die Chance zur kritischen Auseinandersetzung mit einer ambivalenten Kunstform. Was ist die Zukunft des Feuerwerks? Was lässt sich aus der Geschichte des Feuerwerks lernen? Welche Auswirkungen haben konventionelle Feuerwerke auf unsere Umwelt? Wie lassen sich der Zauber und die Erfahrung eines besonderen Augenblicks in Bildern nachhaltig festhalten? Welche Alternativen zum brennenden Feuerwerk gibt es und wie sehen kreative, avantgardistische Lösungen weltweit aus? Ein umfangreiches Veranstaltungsprogramm nähert sich Fragen zur Zukunft des Feuerwerks aus unterschiedlichen Perspektiven.
Zur Ausstellung erscheint ein Magazin (Broschur, 96 Seiten, 10 Euro) mit großformatigen Abbildungen über die Ambivalenz von Schönheit und Zerstörung, die Nähe von Fest und Krieg und die Macht medialer Erzeugnisse. Das Magazin fragt in Zusammenarbeit mit der Deutschen Umwelthilfe nach dem Potential historischer Sammlungen für zukünftige gesellschaftliche Aushandlungen.
Die Ausstellung wird kuratiert von Maren Wienigk, Leiterin Sammlung Architektur und Ornamentstichsammlung der Kunstbibliothek.
Partnerinnen der Ausstellung sind die Deutsche Umwelthilfe (DUH) und die Gesellschaft für Deutsch-Chinesischen Kulturellen Austausch e. V. (GeKA)
Eine Sonderausstellung der Kunstbibliothek – Staatliche Museen zu Berlin