Die Ausstellung „Nachsommer“ ist die sechste Einzelausstellung von Elger Esser in der Galerie Rüdiger Schöttle. Der Titel spielt wie so oft bei dem Fotokünstler, der für seine stimmungsvollen Landschaftsbilder bekannt ist, auf ein Standardwerk der Literatur des 19. Jahrhunderts an. In diesem Fall ist „Der Nachsommer“ von Adalbert Stifter aus dem Jahr 1857 gemeint, in der die Wahrnehmung von Kunst eine zentrale Rolle einnimmt. Gleichzeitig vermittelt der Titel ein klares Stimmungsbild zur Vegetation und Lichtatmosphäre des späten Sommers bzw. frühen Herbstes in Mitteleuropa, wo auch die Werke zur Ausstellung entstanden sind. In den rund 13 Fotoarbeiten, aufgenommen in unterschiedlichen französischen Küstenregionen und Flussgebieten, steht die Zeit fühlbar still, so harmonisch und hingebungsvoll treffen in diesen Bildern Wasser, Land und Himmel aufeinander.
Abgelegene Orte wie Ètang de Peyriac, Saint Ceneri en Gerai oder Mont-Saint-Michel sind hier abgebildet, teilweise nur durch Ruinen erkennbar. Denn was alle Fotoarbeiten vereint, ist die menschenleere, und doch durch den Menschen kulturell gezeichnete Landschaft. Esser stimmt die Proportionen der Himmelsspektakel und Spiegelungen im Wasser im Verhältnis zu den Besonderheiten der Landschaft in seiner Bildfindung genau aufeinander ab und führt uns in den perfekt komponierten Werken augenscheinlich die Schönheit der Natur in ihrer reinsten Form vor Augen. In der tieferen Wahrnehmung werden sämtliche theoretischen Fragen der Fotografie beleuchtet, die Nähe zur Malerei, die Geschichte der Fotografie, das Thema der Zeit und die philosophische Frage der Dauer, im Sinne von Henri Bergson.
In den letzten Jahren hat Elger Esser für die analogen Aufnahmen solch malerischer Orte eine fotografische Drucktechnik entwickelt, die zwar an frühe Fotografien aus dem 19. Jahrhundert erinnert, aber durch das maschinelle Pigmentdruckverfahren auf eine versilberte Kupferplatte sehr zeitgemäß ist. Aufgrund der rauen, schimmernden Oberfläche, die zusätzlich mit Shellac überzogen ist, wirken diese Werke fast wie Malerei. Dank der farbschützenden Technik können die Fotoarbeiten ohne Glas gerahmt werden, was ihren altmeisterlichen Charakter umso mehr verstärkt.
Elger Esser (*1967 in Stuttgart) wuchs in Rom auf. Zum Studium kam er zurück nach Deutschland in die berühmte Klasse von Bernd und Hilla Becher an der Kunstakademie Düsseldorf (1991 – 1997), wo er heute noch lebt und arbeitet. Er zählt zur zweiten Generation der sogenannten Düsseldorfer Becher-Schule. Seine Werke sind längst Teil von namhaften internationalen Sammlungen, u.a. des Centre Georges Pompidou Paris, Solomon R. Guggenheim Museum in New York, Museo Jumex in Mexico Stadt oder Lenbachhaus München. Das Haus Beda der Neuen Galerie in Bitburg widmet ihm aktuell eine Einzelausstellung. Seine Aufnahmen aus Mont-Saint-Michel waren in der ersten Jahreshälfte 2024 in der L’Abbaye de Mont-Saint-Michel selbst zu sehen.