Stellen wir uns vor, Europa wäre ein altes, aber noch immer erstaunlich intaktes Gebäude. Eine Feldsteinscheune zum Beispiel, deren Mauern die Jahrzehnte überstanden haben und immer noch Schutz bieten, deren Dach den schärfsten Wind und stärksten Regen abhält – und doch dringt schon hier und da Wasser durch die Fenster, rüttelt ein harter Sturm an den Ziegeln. Das Dach muss dringend repariert, die Balken gestützt, der Boden verstärkt werden – sonst gerät die ganze Konstruktion ins Wanken. Sonst stürzt irgendwann ein, was einmal so mühsam errichtet wurde.
Europa ist nichts Gegebenes, kein unverrückbares Gut. An Europa muss ständig gearbeitet werden. Gerade jetzt und heute gibt es sehr viel zu tun.
Die Ausstellung „Erzähl’ mir von Europa!“ präsentiert die leidenschaftliche Arbeit von über fünfzig jungen Europäerinnen und Europäern aus rund vierzig Ländern. In mehr als dreißig europäischen Sprachen interviewten sie Vertreter ihrer Großeltern- oder sogar Urgroßelterngeneration. Als Europazeugen berichten diese von einem erfahrungsreichen Leben und ihrer mit Europa verwobenen Tätigkeit in Politik, Kultur und Wissenschaft.
Die Geschichte und Zukunft der europäischen Idee wurden so in einem vielstimmigen Panorama festgehalten. In der Ausstellung werden diese europäischen Lebensgeschichten durch die individuellen Porträts des jungen Berliner Fotografen Maximilian Gödecke in Szene gesetzt. Mit einem Stipendium des Goethe-Instituts reiste er durch Europa, um die Europazeuginnen und Europazeugen zu porträtieren. An sechs thematischen Stationen – Kindheit, Protest, Emanzipation, Freiheit, Haltung, Zukunft – wird zur Auseinandersetzung mit verschiedenen Europabildern, Wertevorstellungen und Lebensgeschichten eingeladen. Eine Hörstation ermöglicht, in die O-Töne der Interviews einzutauchen. Die Ausstellung „Erzähl’ mir von Europa!“ will zur Begegnung mit den unterschiedlichen Gesichtern Europas anregen und das Bewusstsein für die Vielzahl europäischer Standpunkte stärken.
Am Eröffnungstag stellt Maximilian Gödecke das Projekt "European Archive of Voices" und die Ausstellung vor. Ab 17:00 in der Zentralbibliothek am Hühnerposten.