FOTO: © Bianca Müllner - close 2.0 [still] | xpon-art gallery

geSCHLECHT ::: thematische Gruppenausstellung zeitgenössischer Kunst

Das sagt der/die Veranstalter:in:

Teilnehmende Künstler:innen:

Anabel Jujol, Anna Rose, Bardia Esmaeilloo, Bianca Müllner, Detlef Lemme, Fanny Hübner & Malin Müller, Frieder Falk, Johanna Liebsch, Katharina Langer, Lars Röper, Lola Vorläufer, Maja Wietfeldt, Paula Freitag, René Scheer, Reza Arabgari, Stephanie Hüllmann 

 

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Am besten lässt es sich vielleicht so beschreiben: Die Ausstellung bietet ein Kaleidoskop an Arbeiten zum Thema, überlappend, mehrschichtig, gegensätzlich, einig, gleichzeitig. Die Künstler:innen setzen sich dabei oft mit Begrifflichkeiten und Zuschreibungen auseinander, "Identität" ist bei vielen ein Thema. "Geschlecht" ist nicht so einfach, wie es scheint, und die Auseinandersetzung damit einfach sein zu lassen ist - nicht gut. 

 

Am 30. Oktober haben wir zur literarischen Einarbeitung in das Thema das Flexible Schmøkern zu Gast (bitte anmelden unter moin@flexiblesschmoekern.de)

 

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"Für ANABEL JUJOL ist Geschlecht ein Irrtum. In ihrem künstlerischen Arbeiten entwirft sie verspielt erotische Umdeutungen geschlechtlicher Repräsentation und beantwortet den idenfikatorischen Zwang zur Vergeschlechtlichung mit einer offenen, ästhetischen Erforschung von Sinnlichkeiten, Grenzen und Beziehungsweisen.“ (Kuratorin und Künstlerin Xenia Ende über Anabel Jujol). Die Konstruktion von geschlechtlicher Identität wird sichtbar gemacht und gleichzeitig wird auf eine Verbundenheit hin gedeutet. Das innere erotische Erleben soll für das Auge fühlbar gemacht werden und bedeuten, dass sinnliche Wahrnehmung uns frei macht von ge-schlechtlicher Zuordnung in binäre Systeme. Es ist die Freiheit der Sinnlichkeit, die sich in Schönheit erfindet.

 

ANNA ROSE zeigt eine Werkserie im Stickrahmen, Durchmesser 16 - 26 cm: Onlinedating verspricht nicht nur die Möglichkeit, einen neuen Partner oder Bekanntschaften zu finden, sondern ist auch ein Tummelplatz für übersexualisierte Kontakte. Und der Mann wirbt dabei mit seinem besten Stück. So wie Paradiesvögel Tänze vollführen oder Nester schmücken, inszeniert der Mann seinen Penis. Mal groß und mächtig, mal spielerisch hervorlugend, mal vermeintlich harmlos natürlich. Gesichtslos bleibt der Mann dahinter. Die Selbstentblößung als gleichzeitige Machtdemonstration. Er hat einen Penis, er ist der Penis, was braucht es mehr?

 

Für BARDIA ESMAEILLOO stellt sich immer die Frage, warum wir nicht so leben können, wie wir sind, und warum wir Namen und Kategorien brauchen, um richtig anerkannt zu werden. Seine jüngsten Arbeiten sind Verkörperungen dieser Auseinandersetzung. Sie zeigen demontierte Körper, die von Objekten und Produkten umschlossen sind. Körper, die ausweglos mit Definitionen und Namen belegt sind.

 

Gefilmt wurden verschiedene Körper: Menschen, Oberflächen von Malereien, Leder. Visuell verschmelzen die Streifzüge zu einer endlosen oft in die Unschärfe gehenden Kamerafahrt. Die Inszenierung wird begleitet von sich überlagernden Sounds. Herzschlag. Schleifen. Basslaut. Rythmus. Es geht um unsere Sinne, um den Kontakt zum eigenen Körper und den der Anderen und um den Verlust von körperlich-sinnlicher Wahrnehmung durch Zuschreibungen und visuelle Überschreibung. “close 2.0” von BIANCA MÜLLNER.

 

DETLEF LEMME gibt seiner Arbeit “Schwarzer Fleck auf weißer Spanplatte” folgende Interpretation mit: Wenn wir in der Kreisfläche des Flecks eine Kugel, mit einem Tropfen als Ursache, erblicken, erinnert der Fleck an die Form der Planeten. Im Symposion von Platon (416 v. Chr. ) erzählt Komödiendichter Aristophanes die Geschichte der frühen Kugelmenschen, deren drei Geschlechter, männlich, weiblich und das Gemeinschaftliche, sich von Sonne, Erde und Mond ableiteten. Sie hatten vier Beine und vier Arme und einen Kopf mit zwei Gesichtern; “an Kraft und Stärke waren sie gewaltig”. Doch sie wollten sich einen Zugang zum Himmel bahnen, weshalb Zeus sie in zwei Teile zerschnitt, um ihren Übermut zu bändigen. Apollon befahl er, den neuen Zweibeinern das Gesicht zur Schnittstelle zu drehen und sie im Nabel zusammenzuschnüren, um ihnen ihre Zerschnittenheit vor Augen zu führen. Der Mythos deutet die erotische Begierde als Ausdruck des Strebens der halbierten Menschen nach Wiedervereinigung mit der jeweils fehlenden Hälfte.

 

“Die Arbeit „knowing you, knowing us“ dokumentiert unsere Freundinnenschaft und unser Zusammenleben auf einer für diesen Zweck erstellten Webseite, die fortlaufend ergänzt wird. Als Künstlerinnen setzen wir einem männlich geprägten Blick in der Kunst unseren eigenen, weiblichen Blick entgegen. Unsere Arbeit transportiert Privates und Intimes in den öffentlichen Raum.” FANNY HÜBNER & MALIN MÜLLER

 

FRIEDER FALK schreibt zur Arbeit zur Arbeit “Geschlecht der Graise”: “Das Geschlecht einer Fläche ist definiert als die maximale Anzahl von möglichen Schnitten entlang disjunkter, einfach geschlossener Kurven, so dass die Fläche nach dem Schnittvorgang, also nach allen gemachten Schnitten, immer noch zusammenhängend ist. Topologie.”

 

Die Fotografien von JOHANNA LIEBSCH aus der Serie „Carneval de Barranquilla“, aufgenommen im Jahr 1995, dokumentieren den Mut für Meinungsfreiheit vieler Kolumbianer*Innen. Trotz der Einführung der Ehe für alle im Jahr 2016, mit der sich Kolumbien unter den in die LGBTIQ*-freundlichsten Ländern Südamerikas eingereiht hat, ist es für die trans* Community weiterhin ein gefährliches Pflaster. Es war 2022 das Land mit den viertmeisten Morden an trans*, nicht-binären und gender-nonkonformen Personen in Lateinamerika.

 

KATHARINA LANGERs künstlerische Praxis ist eng mit ihrer persönlichen Geschichte verflochten und beleuchtet ungehörte und unsichtbare Geschichten, die sie in ihrer Arbeit zum Vorschein bringt. In ihrem bemalten und collagierten Notizbuch eröffnet sie intime Einblicke in eine Welt schemenhafter Charaktere, die sich zwischen zarten, fast durchsichtigen Seiten verbergen. 

 

Facebooks 60 Gendersymbole erfassen die Vielfalt der Geschlechter noch immer nicht. Permeabel, wandelbar, manchmal felsenfest scheint Geschlechtlichkeit zu sein. Von allerhöchster Wichtigkeit für manche, nahezu beliebig für andere. LARS RÖPER platziert seine Installation in eben diesem Spannungsfeld: in Mörsern zerstampfte und vermischte, während Geschlechtsumwandlungen verabreichte Tabletten, Soundfiles von Pornofilmen. Daneben die Aufforderung an die Besucher: „Guess the Geschlecht!“

 

LOLA VORLÄUFER öffnet mit ihrer Arbeit „ge(h)SCHLECHT“ den Raum für alle Körper und deren mögliche Bedürfnisse im öffentlichen Raum. “Das man sich mit verschieden gelesen Körpern unterschiedlich in Städten bewegt ist Fakt und auch, das es sich dort mit bestimmten Geschlechtern schlechter geht. Viele Körper wünschen sich in städteplanerische Entscheidungen mehr mitgedacht, gesehen und mit einbezogen zu werden.”

 

MAJA WIETFELDT arbeitet hauptsächlich mit Holzschnitt und Schnitzereien und beschäftigt sich mit Erinnerung, kollektivem Gedächtnis und dem Spannungsfeld bzw. der Differenz dazwischen. Der langwierige Schaffensprozess, das subtraktive Element des Schnitzens und die Endgültikeit des Holzes spiegeln für sie einen Aushandlungsprozess von Gedächtnis und Identität wieder.

 

“rude boys” von PAULA FREITAG ist eine Video-und Soundinstallation zum Thema Sexismus und Machtmissbrauch. Die Künstlerin konfrontiert die Betrachter:Innen durch Stimme, Sound, visuelle Überreizung und Selbstdarstellung mit ihren Erfahrungen von sexueller Gewalt.

 

Ein Trümmerhaufen von alten zerlegten Holzbrettern war die Inspiration. RENÉ SCHEERs Arbeit für die Ausstellung geSCHLECHT besteht aus diesen Holzbalken und Resten eines heruntergekommenen Hauses. Postkarten, die in Schablonen verwandelt wurden, verweisen in Verbindung mit der fragilen Struktur des Materials auf 5 Orte, an denen in den letzten Jahren große Missbrauchsskandale in religiösen Institutionen öffentlich wurden.

 

Für REZA ARABGARI gehören Porträts seit jeher zu den faszinierendsten Themen der Kunstgeschichte. Ihn beschäftigt die Frage, inwieweit ein Porträt von einer exakten Darstellung abweichen kann, ohne dabei die Essenz der Identität der porträtierten Person zu verlieren.

 

Das „Stettiner Haff“ von STEPHANIE HÜLLMANN besteht aus Hunderten von Ostsee-Schnecken, per Hand auf zartes Papier aufgenäht, die Verteilung mit deutlichen und weniger deutlich sichtbaren Lücken. Es zeigt die Zerbrechlichkeit des Lebens und das stille Verschwinden dieser Wesen, die durch Klimawandel und Verschmutzung vermehrt nur noch taube Eier legen und sich immer weniger fortpflanzen. 

 

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Bei Fragen sprechen Sie uns gerne an, wenn Sie Durst haben, auch. Wir bieten nichts an, was wir nicht auch selber trinken würden. Getränke sind gegen Spende erhältlich. Der Eintritt ist frei, weil jeder Zugang zu Kultur haben soll. Sie dürfen allerdings gerne welchen spenden, wenn Sie den sonst auch honorieren. 

Wir konzipieren diese Ausstellungen und betreiben diesen Raum, weil wir es wichtig finden, dass es konstante und anspruchsvolle Positionen zwischen staatlichen Museen und kommerziellen Galerien einerseits und wechselnden Plattformen für Nachwuchskunst andererseits gibt - zum einen, um noch nicht etablierte Kunstschaffende besser zu fördern, und zum anderen, um eine lebendigere Kultur für die Kommunikation zwischen Kunst und Öffentlichkeit zu schaffen. Die Erzählungen dieser Ausstellung wurden geschaffen von den Künstler:innen. Die unterschiedlichen Schreibkonventionen wurden bewusst belassen und nicht vereinheitlicht.

 

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Sondertermin:

Mittwoch, 30.10.2024 um 19.30 Uhr zum Flexiblen Schmøkern 

(bitte anmelden unter moin@flexiblesschmoekern.de)

Finissage:

Sonntag, 10.11.2024 11 - 16 Uhr

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Mit freundlicher Unterstützung der Behörde für Kultur und Medien Hamburg

 

 

 

 

Preisinformation:

Der Eintritt ist frei, weil jeder Zugang zu Kultur haben soll. Sie dürfen allerdings gerne welchen spenden, wenn Sie den sonst auch honorieren. Getränke sind gegen Spende erhältlich. Wir bieten nichts an, was wir nicht auch selber trinken würden. Wir konzipieren diese Ausstellungen und betreiben diesen Raum, weil wir es wichtig finden, dass es konstante und anspruchsvolle Positionen zwischen staatlichen Museen und kommerziellen Galerien einerseits und wechselnden Plattformen für Nachwuchskunst andererseits gibt - zum einen, um noch nicht etablierte Kunstschaffende besser zu fördern, und zum anderen, um eine lebendigere Kultur für die Kommunikation zwischen Kunst und Öffentlichkeit zu schaffen.

Location

xpon-art gallery Repsoldstraße 45 20097 Hamburg