Die Freiheit zu glauben, was wir wollen – oder auch nicht zu glauben – ist im Rahmen der Religionsfreiheit im Grundgesetz verankert und gilt als wesentliches Menschenrecht. Sie erlaubt jedem Menschen, die persönliche individuelle Glaubensüberzeugung in Form einer Religion oder Weltanschauung frei und öffentlich auszuüben. Trotzdem wird im gesellschaftlichen Alltag nach wie vor um den konkreten Umfang dieser Freiheit gerungen, sei es bei den Themen Architektur und Schulunterricht oder bei der Frage von Bestattungen.
Mit der Sonderausstellung „Glauben und glauben lassen“, die eine Wiederaufnahme der Ausstellung „Glaubensfreiheit“ aus dem Jahr 2020 ist, möchte das Altonaer Museum vor dem besonderen Hintergrund der Geschichte Altonas zur Diskussion einladen: über die Glaubensfreiheit und ihre Grenzen in der Geschichte aber vor allem in unserer Gegenwart. Denn Glaubensfreiheit hat in Altona seit 1601 Tradition. Die einst selbstständige Stadt Altona setzte schon Ende des 16. Jahrhunderts einen Kontrapunkt zum benachbarten Hamburg, das nur den lutherischen Glauben zuließ. Mennoniten, Reformierte, Juden und Katholiken erhielten bereits damals in Altona das Recht, ihren Glauben zu leben – auch wenn sie dieses immer wieder mit den Landesherren aushandeln mussten. Die beiden Straßen „Große Freiheit“ und „Kleine Freiheit“, die bis 1938 zu Altona gehörten, erzählen mit ihren Namen bis heute von dieser Geschichte. Anlass für diese Ausstellung ist neben der besonderen Geschichte Altonas vor allem die anhaltende Bedeutung des Themas für die Gegenwart. In pluralen Stadtgesellschaften werden Aspekte von Glaubensfreiheit fast täglich in den Medien diskutiert. Extreme Ereignisse wie der Anschlag auf die Synagoge in Halle/Saale 2019 während der Ausstellungsvorbereitung haben deutlich gemacht, wie umkämpft dieses Grundrecht ist. Dann schränkte der pandemiebedingte Lockdown das Grundrecht auf Glaubensfreiheit ein und religiöse Zusammenkünfte waren verboten. Auch diese Ausstellung musste kurz nach der Eröffnung im Herbst 2020 wegen der Corona-Pandemie geschlossen werden und konnte nur wenige Wochen besucht werden. Deshalb wird sie nun ein zweites Mal gezeigt. Die heutige Hamburger Stadtgesellschaft ist zunehmend säkular, gleichzeitig aber religiös sehr vielfältig. Ab den 1950er Jahren wird diese Vielfalt in der Stadt mit Moscheen, orthodoxen Kirchen und buddhistischen Tempeln sichtbar. Bundesweit einzigartig ist der „Religionsunterricht für alle“, wie er an den Hamburger Schulen unterrichtet wird: Schülerinnen und Schüler verschiedener Glaubenszugehörigkeiten lernen hier gemeinsam unterschiedliche Religionen kennen. Der interreligiöse Dialog wird gerade in Hamburg besonders intensiv gepflegt, dennoch ist die im Alltag gelebte Glaubensfreiheit immer wieder ein Thema. Im Mittelpunkt der Ausstellung steht deshalb die Frage nach der Rolle und nach den Herausforderungen von im gesellschaftlichen Miteinander gelebter Glaubensfreiheit. In über 50 Video-Interviews berichten Hamburgerinnen und Hamburger in der Ausstellung über ihren Glauben und die Bedeutung der Glaubensfreiheit in ihrem persönlichen Alltag. Historisch spannt die Ausstellung einen thematisch weiten Bogen vom ausgehenden 16. Jahrhundert bis in die Gegenwart und zeigt Entwicklungen und Fragen rund um das viel diskutierte Grundrecht der Glaubensfreiheit. Die Themenbereiche, mit denen sich die Ausstellung auch in Form von Fragen an die Besucherinnen und Besucher auseinandersetzt, reichen von der Glaubensfreiheit als Altonaer Standortvorteil und den mit verschiedenen Glaubensgemeinschaften verbundenen wirtschaftlichen Netzwerken im 17. und 18. Jahrhundert über den in der Zeit der Aufklärung erstarkenden Ruf nach religiöser Toleranz und den Antisemitismus im 19. Jahrhundert bis hin zur Rolle der Religion im NS-Staat. Mit dem Grundgesetz und der gesellschaftlichen Entwicklung ab den 1950er Jahren richtet die Ausstellung den Blick auf ganz Hamburg. Die Etablierung neuer Gemeinden und die Veränderung von Gemeinden durch Zuwanderung, der Einrichtung von Glaubensorten und Friedhöfen sind ebenso Thema wie der interreligiöse Dialog, die Akademie der Weltreligionen, die Hamburger Staatsverträge und der „Religionsunterricht für alle“.