Dass Berlin, Hamburg oder Bremen eine koloniale Vergangenheit hatten, ist mittlerweile bekannt. Doch auch in Göttingen spielten Kolonien spätestens seit Beginn der deutschen Kolonialherrschaft im Kaiserreich und bis in die Zeit des Nationalsozialismus eine bedeutende Rolle. Kolonialvereine setzten sich für den Aufbau und die Wiederherstellung deutscher Kolonialherrschaft ein, während ein Missionsverein Spenden sammelte, um die vermeintliche „Zivilisierung“ der kolonisierten Bevölkerungen, die oft als unmündige Kinder dargestellt wurden, zu unterstützen. Kolonialwarenläden handelten mit Produkten aus den Kolonien und Soldaten aus Göttingen kämpften in Kolonialkriegen.
An der Universität Göttingen wurden Vorlesungen über Rassetheorien gehalten und Forschungen zur Lösung der kolonialen Arbeiterfrage betrieben. Ethnographische Objekte, Pflanzen und sogar menschliche Überreste gelangten aus den kolonialisierten Gebieten in die universitären Sammlungen nach Göttingen.
Diese vielfältigen Verbindungen zum Kolonialismus und die Bedeutung des Kolonialrevisionismus für Göttingen haben 16 Studierende im Sommersemester 2024 unter der Leitung von Dr. Karolin Wetjen und Charlotte Prauß im Rahmen eines Projektseminars der Neueren Geschichte erforscht. In enger Zusammenarbeit zwischen Universität und Museum ist daraus eine Ausstellung entstanden, die vom 22. September bis zum 26. Januar 2025 im Städtischen Museum Göttingen zu sehen sein wird. Die Ausstellung beleuchtet anhand ausgewählter Biografien Göttinger Bürger*innen aus der Zeit zwischen 1870 und 1945, welche Rolle der Kolonialismus im Alltag der Stadt spielte, wie Bürger*innen an der kolonialen Herrschaft teilhatten und welche Kontinuitäten bis heute bestehen.
Aufgrund des großen Interesses an der Ausstellung wird diese verlängert und nun bis zum 23. Februar 2025 gezeigt. Das Städtische Museum dankt allen unseren Leihgeber*innen, die das ermöglicht haben.
Der Eintritt in die Ausstellung ist weiterhin frei.
Auch in der Verlängerungszeit werden attraktive Veranstaltungen innerhalb des Rahmenprogramms angeboten.