Hotel Rimini
Oktober in Rimini“ ist nicht nur ein italienischer Filmklassiker der 70er Jahre. Die drei
Worte sind auch die Antwort auf die Frage nach dem Ursprung. Dem Ursprung der
wundersamen, sympathischen und geradezu wahnwitzig versierten Band HOTEL RIMINI.
Im Oktober in Rimini nämlich arbeiteten sechs verhinderte MusikerInnen als
Hotelangestellte in einem heruntergekommenen Urlaubsresort an der Küste der Adria.
Julius und Paul fuhren als Liftboys in ausgebeulten Uniformen ihre immer gleichen Wege
zwischen oben und unten. Annegret leitete das hoteleigene Volleyballteam, was bei ihrer
Größe von 1,58 Meter mehr als beachtlich war. Jakob war für die Küche zuständig,
Valentin arbeitete als Bademeister und Paula brachte die Zimmer mit routinierter Akribie
auf Vordermann. Sie alle verband die Passion für Musik und die Notwendigkeit, ihren
Bohèm'schen Lebenswandel quer zu fnanzieren. Das triste Lied der Nebensaison sang
seinen immergleichen Refrain bis es jäh vom herbstlichen Lockdown unterbrochen wurde.
Tristesse virale sozusagen. Das Hotel schloss seine Pforten und die ohnehin wenigen Gäste
verließen den Hafen des Pauschaltourismus. In dieser Gemengelage aus leer stehenden
Zimmern und wachsender Inspiration gründeten die sechs eine Band, quartierten sich
kurzerhand in der Präsidentensuite ein und entwickelten ihr Debütalbum „Allein unter
Möbeln“.
Oder war doch alles ganz anders? Halten wir es mit Werner Herzog, fröhnen wir der
ekstatischen Wahrheit und konzentrieren wir uns auf das Wesentliche. Das Wesentliche
sind in diesem Fall die 13 Songs, die HOTEL RIMINI für ihr Debütalbum eingespielt haben,
das in seiner Stilsicherheit und Vielschichtigkeit bemerkenswert ist. Wer zeitlose Musik
macht, hat es schwer, die Band der Stunde zu sein. Und dennoch ist „Allein unter Möbeln“
ein klarer Bote der Gegenwart. Das hat auch mit den Texten von Sänger Julius Forster zu
tun, der mit rauher Stimme und scharfsinnigen Beobachtungen die Gegebenheiten unserer
Zeit begleitet.
Und jeder weiß es besser, doch keiner so genau
Bei zwei Tassen Espresso ziehn wir uns durch den Kakao
- aus „Jubel Trubel Eitelkeit“ -
Dabei gleiten die Liedzeilen nie ins langweilig Moralisierende ab, lassen stets Raum für die
eigene Deutung. Das Scheitern an den Brutalitäten des Alltags spielt bei HOTEL RIMINI
ohnehin eine größere Rolle als das Politische. Zum Thema „Vergangenheitsbewältigung im
öffentlichen Nahverkehr“ heißt es da zum Beispiel:
Die Tatortermittler im Fernsehn sind auch nicht mehr, was sie mal warn
Und dich will ich aus dem Verkehr ziehn, ich fiehe vor dir in der Bahn
Schöne Texte, die auf ausgefeilte Musik treffen. Gezogene Vergleiche zu Element Of Crime
oder Rio Reiser sind sehr galant, greifen aber zu kurz. In HOTEL RIMINIs breitgefächertem
Instrumentarium zwischen Indie und Chanson sind komplexe Streicherarrangements
genauso beheimatet wie eingängige Gitarrenhooks. Mal verirrt sich ein altes Casio in einen
Song, mal ein sporadisch eingesetztes Waldhorn. Eine heulende E-Gitarre oder ein groovigrumpelndes Schlagzeug fnden genauso ihren Platz wie ein Streichtrio, das an Schubert
erinnert. In „Hilde“, dem letzten Song des Albums, ist sogar ein einminütiges KontrabassSolo zu hören, das nicht prätentiös klingt, sondern wunderschön. Dass das Album in seiner
Vielseitigkeit dabei wie aus einem Guss klingt, ist auch Produzent Sascha Hünermund zu
verdanken, in dessen charmantem Studio im Leipziger Westen die Riminis fast alle Songs
live eingespielt haben.
Man kann also sagen „Allein unter Möbeln“ ist ein exzellentes Debütalbum geworden.
Es erscheint am 27.10. Ein Oktober in Rimini sei hiermit wärmstens empfohlen!