Lesung und Gespräch mit Autorin und Filmemacherin Irene Langemann.
Eine Kleinstadt in Sibirien, 1969. Eisige Kälte. Die elfjährige Vera wird von ihren Mitschüler:innen auf einer menschenleeren Straße angegriffen und als Faschistin beschimpft. Tief gedemütigt begibt sich das Mädchen auf die Suche nach ihren Wurzeln. Als ihre Mutter Anna sie in die Familiengeschichte einweiht, beginnt für Vera eine Reise in die Vergangenheit. Ihre Vorfahren, strenggläubige Mennoniten, sind Anfang des 19. Jahrhunderts aus Westpreußen nach Russland aus- gewandert, in das Gebiet der heutigen Ostukraine. Vera erfährt die Geschichte ihrer Familie über sechs Generationen, packende Lebenswege, die sich durch die Jahrhunderte bis in die Jetztzeit spiegeln: vom bescheidenen Wohlstand der frommen Kolonisten in der Zarenzeit über unmenschliche Entbehrungen, existenzielle Not und Diskriminierung in der Sowjetdiktatur bis hin zu den idyllischen Sommern an der Küste Georgiens in den Siebzigerjahren.
„Das Gedächtnis der Töchter“ ist die mitreißende Chronik einer deutschen Familie, die versucht, im krisengebeutelten Russland Wurzeln zu schlagen. Virtuos erklettert Irene Langemann die Ranken des Stammbaums, folgt wilden Verästelungen und lässt dabei ein eng gewobenes Geflecht aus Vergangenheit und Zukunft entstehen. Ein tief bewegender Roman über das Suchen nach Identität in der Fremde, über die vielen Facetten von Einsamkeit und die immer neu zu schöpfende Kraft, sie zu überwinden.
„Es ist ein so packendes wie erschütterndes Sinnbild – das kollektive Trauma dieser Volksgruppe. Packend, weil man trotz all der geschilderten Grausamkeiten das Buch nicht weglegen kann und will, weil einem die Figuren so ans Herz wachsen.“
(Jonathan Böhm, SWR 2)