Mieczysław Weinberg schrieb in allen Genres und für alle Gattungen. Als Sohn eines Theatermusikers, der am Theater seine frühesten künstlerischen Eindrücke sammelte, war ihm auch die erzählende und darstellende Komponente der Musik vertraut. Unmengen von Chorwerken, Romanzen und Liedern beweisen seine Fähigkeit, nicht nur volkstümlich für Gesang zu schreiben. Interesse für Literatur bekundete er von Kindheit an. Dennoch wagte er sich erst als Endvierziger an die große Bühne. Innerhalb von zwanzig Jahren, 1968 bis 1986, entstanden sieben Opern und eine Operette, denen zwanzig Jahre zuvor noch zwei heitere Vorläufer vorausgegangen waren. Der Einakter Lady Magnesia entstand 1975 nach dem Melodram Passion, Poison and Petrification („Leidenschaft, Gift und Versteinerung“) von George Bernard Shaw. In seinem rabenschwarzen Humor ist es alles andere als ein typischer Weinberg, der in seinem Schaffen sonst die Frage nach Menschlichkeit in finsteren Zeiten thematisiert. Was der irische Autor als Satire auf das viktorianische Drama anlegte, nimmt Weinberg zum Rundumschlag gegen die ganze Gattung Oper. Triviale Gitarrenriffs charakterisieren den verblichenen Adelsglanz; Unheilsvisionen in Moll-Rezitativen mit Klavierbegleitung wechseln mit machohaften Jagdklängen der Posaune und Saxophongirlanden voll edlem Schmerz. Mit einem Jazz-Instrumentarium zieht Weinberg das hochherrschaftliche Personal auf den Boden trivialer Alltäglichkeit und zeichnet der Oper den Weg des Musicals vor.
Handlung:
An einem stürmischen Gewitterabend will Sir George Fitztollemache seine schlafende Gattin Lady Magnesia mit einem riesigen Dolch ins Jenseits befördern. Rasende Eifersucht treibt ihn an; sie betrügt ihn mit dem Hausdiener Adolphus. Der Dolch sei ein Geschenk an sie von seiner Mutter, beteuert er der erwachenden Lady. Die wundert sich: Wurde ihr nicht ein Fischmesser versprochen? Da tritt Adolphus auf den Plan und will ganz arglos seinen neuen Frack vorführen; allerdings versteht Adolphus bei Spott über seine Kleidung keinen Spaß. George bereitet Drinks für alle, in den für seinen Nebenbuhler mischt er Gift. Während Adolphus sich bald vor Schmerzen windet und Lady Magnesia in Aussicht stellt, in Zukunft wieder ihren Mann lieben zu wollen, möchten die beiden den Mord rückgängig machen. Nur Gips kann den Diener noch retten. Die Zofe Phyllis besorgt das Mittel in der nötigen Menge, wodurch Adolphus schließlich zur Statue versteinert, die wie segnend die Hände über das neu versöhnte Ehepaar ausbreitet.