In »Medea. Stimmen« dachte die Thomas-Mann-Preisträgerin Christa Wolf den Mythos um eine der bekanntesten Figuren der griechischen Antike gänzlich neu. Lange Zeit prägte Euripides’ Tragödie die Darstellung der Medea als eine zaubermächtige, rachsüchtige Frau, die selbst vor Kindsmord nicht zurückschreckt, um den Helden Jason für seinen Verrat an ihr zu bestrafen. Doch aus den Stimmen von Weggefährt:innen und Gegner:innen der Medea schuf Christa Wolf eine neue Figur: Medea als eine Fremde, die in Korinth Schutz sucht und für ihre Heilkünste bewundert wird; die Unfrieden stiftet, weil sie Korinths Vergangenheit nicht ruhen lässt. Denn Medea glaubt das Ammenmärchen nicht, nach dem Korinths Thronfolgerin erst entführt und dann in einem weit entfernten Reich glücklich verheiratet worden sei. »Entweder ich bin von Sinnen oder ihre Stadt ist auf ein Verbrechen gegründet.« Medeas Nachfragen versetzen König Kreon und seine einflussreichen Ratgeber in Unruhe. Sie schüren Neid und Missgunst gegen Medea und bald droht die Stimmung in der Stadt zu kippen – gegen alle, die Medea nahestehen und alle, die in Korinth als »Fremde« gelten.
Regisseur Zino Wey lässt die unterschiedlichen Stimmen im Theater aufeinandertreffen. Gemeinsam mit Komponist Lukas Huber entwickelt er eine musikalische Inszenierung mit Chorgesang, um eine Brücke zu schlagen von der griechischen Antike ins Heute. Denn »aus der Tiefe der Zeit kommt Medea uns entgegen«, wie Christa Wolf schreibt.