PERSONAL . Young Hungarian Photography

Das sagt der/die Veranstalter:in:

Geschichte gleicht manchmal eher einer Abfolge von Zufallsereignissen auf dem Hintergrund großer Ideen als einem linear voranschreitenden Weg. Wenn persönliche Handlungsfähigkeit utopisch erscheint, wenn Macht unerreichbar ist und man sich wie eine Schachfigur in einem Brettspiel fühlt, wie wirkt sich das auf die eigene Lebenswelt aus?

Das Trauma der autoritären Diktatur wirkt in den Körpern und Köpfen von Generationen von Osteuropäer:innen immer noch nach. Selbst diejenigen, die nach dem Sturz des Regimes geboren wurden, kämpfen mit der Unsicherheit, dass sich von einem Tag auf den anderen alles ändern könnte. So subjektiv und individuell diese Gefühle auch sein mögen, der Politikwissenschaftler Ivan Krastev stellt in seiner Analyse der Unterschiede in der politischen Mentalität von Ost- und Westeuropäer:innen fest, dass „die Osteuropäer Änderungen eines Status Quo mit einem Gefühl der Angst, ja des Schreckens interpretieren“.  Dies führt zu einer Kluft zwischen Menschen aus unterschiedlichen Gesellschaften, nämlich denen, die das Leben während des Kommunismus und/oder den Zusammenbruch des einst mächtigen kommunistischen Regimes persönlich erlebt haben, und denen, die von diesen traumatischen Ereignissen nicht betroffen waren. Die sehr unterschiedlichen Interpretationen der gegenwärtigen Wertekrise, die im Westen durch die Erkenntnis ausgelöst wurde, dass die westlichen Werte vielleicht doch nicht so universell sind, wie Fukuyama einst dachte, sondern Werte aufgrund von grundlegend unterschiedlicher Lebenserfahrungen unterschiedlich definiert werden können.

Die Fotoausstellung „Personal“ zeigt Werke von drei jungen ungarischen Fotograf:innen, die untersuchen, wie sich ihr Weltbild angesichts von Familiendynamik, engen Freundschaften und Alltagsbeobachtungen offenbart. Wie prägen Beziehungen, die Vergangenheit und eine wiederholt von Ungewissheit geprägte Gegenwart die Zukunftsvisionen? Die Art und Weise, wie jedes dieser Projekte zutiefst persönlich und gleichzeitig in der Vergangenheit und Gegenwart verwurzelt ist, zeugt nicht nur von einer erlebten Instabilität, sondern auch von dem selbstbewussten kreativen Ausdruck bei der Suche nach der eigenen Geschichte. Die Unsicherheiten, die das alltägliche Leben in den postkommunistischen Ländern strukturieren, werden so zu einem bewussten erzählerischen Werkzeug, um die eigene Umgebung zu reflektieren.

Francisca Legát (*1997, Budapest)
Legát überzieht Bilder aus ihrem Familienarchiv mit spielerischen Mustern, verwischt die Unterscheidung zwischen dem, was erinnert wird, und dem, was weitererzählt wurde und fügt auf diesem Wege die verlorenen Teile der individuellen Erinnerung und der Familiengeschichte zusammen. Die Frage „Wie sah das Ungarn aus, in dem meine Eltern aufgewachsen sind?“ steht sinnbildlich für Legáts Suche nach Identität anhand der verstreuten Erinnerungen ihrer Eltern. Einige der Fotografien beruhen auf realen Ereignissen, wie sie von ihren Eltern erzählt wurden, andere auf den Wahrnehmungen und Assoziationen der Künstlerin, sodass die daraus entstehenden Bilder eine Mischung aus klassischen formalen Motiven und zeitgenössischer Bildsprache sind.

Domonkos Varga (*1998, Budapest)
In seiner Arbeit widmet Domonkos sich zeitgenössischen Themen wie Konsum, Industrie, Ideologie, Körper und Transformation. Dazu benutzt er Metaphern und Symbolbilder, die in Fragmenten poetisch komponiert werden. In der Serie „Acts of Cassandra“ (der Titel verweist auf Kassandra, eine Wahrsagerin in der griechischen Mythologie) untersucht er, wie Utopien und dystopische Ideologien sich auf technologische und soziale Veränderungen beziehen. Seine Installation funktioniert wie eine imaginäre Mind-Map, in der er triviale Ängste, sowie Erwartungen an eine neue Welt und die Probleme der Gesellschaft einander gegenübergestellt.

Boglárka Éva Zellei (*1993, Budapest)
In den meisten ihrer Arbeiten seziert und untersucht Zellei das Thema Religion aus einem persönlichen, intimen Raum der Reflektion, der es ihr erlaubt, mit ihrer Distanz zum Thema zu spielen. Indem sie sich mit einer Reihe von Genres auseinandersetzt: Porträt, Landschaft und Stillleben, untergräbt sie die starren Vorstellungen über Religion, sowohl bei denjenigen, die ihrer Rolle in modernen Gesellschaften skeptisch gegenüberstehen, als auch bei denjenigen, die versuchen, den Glauben als politisches Instrument zur Manipulation einzusetzen. Vorstellungen von Reinigung oder Opferung manifestieren sich als performative Prozesse, visuelle Erkundungen religiöser Bilder und beschwören im Stillen die Materialisierung verschiedener Identitäten herauf, die als subtile Andeutungen der Künstlerin weiterleben.

Location

KVOST Leipziger Str. 47 10117 Berlin

Team

Kunstverein Ost Berlin

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