Stunde Null. Deutschland erinnert, gedenkt und will wiedergutwerden. Deutschland erinnert gut. Das Leid wird in Denkmäler und Gedenktage gesperrt, Rechte Kontinuitäten werden zu Einzelfällen - das schafft neuen Platz für nationale Identität. Endlich wieder Wetten, dass...?, Stadtschloss und Heimatministerium. Die Nazi-Vergangenheit scheint nur noch ein kleiner Teil in der sonst großen positiven deutschen Geschichte zu sein.
wir schwingen eine fahne.
wir nehmen taschentücher mit vor den fernseher:
am volkstrauertag trauern wir und am gedenktag gedenken wir,
so lasset uns aufstehen,
lasset uns eine minute schweigen,
dann kann man das gras besser wachsen hören.
Schwarz Rot Geil beschäftigt sich mit Fragen nach Vergessen, Erinnerung und Identität. Das deutsche Selbstverständnis ist schon lange kein antifaschistisches mehr. Das eigentliche Ziel gerät in Vergessenheit: Niemals darf sich die Geschichte wiederholen. Sich den Strukturen des Vergessens zu stellen ist politische Erinnerungsarbeit. Politische Erinnerungsarbeit ist Zukunftsgestaltung.
Über die Stückentwicklung
Ausgehend vom Erbe des Generalstaatsanwalts Fritz Bauer und seinem Wirken in Braunschweig, hat sich cindy+cate auf einen Rechercheprozess begeben. Dabei orientierten sie sich an Bauers Aufforderung "in den Gerichtstag mit sich selbst" zu gehen. Grundlage dafür sind biografische und kollektive Erinnerungen der deutschen Täter:innengemeinschaft sowie das Aushandeln der eigenen Position in der Gesellschafft. Als theoretischer Unterbau dienen cindy+cate Max Czolleks Analysen der deutschen Erinnerungskultur. Seine Einteilung dieser in drei Phasen sind das Grundgerüst dieses Bühnenformats. Mit der Stückentwicklung zieht cindy+cate eine Bilanz der deutschen Erinnerungskultur, persönlich und gesellschaftlich. Mit ironischem Twist zeigt die Inszenierung Gefahren von gesellschaftlichem Patriotismus und zeichnet den Prozess der sogenannten
Wiedergutwerdung Deutschlands auf der Bühne nach und stellt diese in Frage. In Zeiten einer erstarkenden Rechtspopulistischen Partei, sowie einer Verschiebung von Diskursen nach rechts, bietet das Stück eine brandaktuelle Auseinandersetzung mit den bisherigen Strategien der Vergangenheitsbewältigung, zeigt Kontinuitäten und Gefahren auf, ohne dabei belehrend zu wirken.
Schwarz Rot Geil wurde am 01.04.2023 im Quartiertheater Hannover uraufgeführt und wurde seitdem ebenso in Braunschweig, Hildesheim und Hamburg gezeigt. Die Stückentwicklung wurde in der Trainee Sparte beim Best OFF Festival Niedersachsen nominiert und zum NEXT Festival am LOT-Braunschweig eingeladen.
Das Best OFF Festival schreibt über cindy+cate: „Sie reflektieren Erinnerungsarbeit auf nahbare Weise und setzen einen großen Fokus auf die Darstellung ihrer eigenen jungen Perspektive.“