Autobahn, Feldwege, Landstraßen. Thees Uhlmann ist längst sein eigener Road Movie. Doch erst dieses Album zeichnet den Trip mitreisetauglich nach. Er führt vom AJZ bis ins Stadion, von Hemmoor bis nach New York, durch mehr als drei Jahrzehnte wiedervereinigtes Deutschland. Rock, Indie, Punk und was nicht sonst noch alles. Lichthupe aber nur im äußersten Notfall.
„Das ist nicht die Sonne, die untergeht /
Das ist die Erde, die sich dreht“
(„Schönheit der Chance“)
The Tomte Years (1994 – 2010)
In einem kleinen Studi-Appartement in Köln. Auf mausgrauen Teppichfliesen haben sich Bandmitglieder der Gruppe Tomte gesammelt. Adrenalin, Unruhe, Alkohol. Es ist tiefste Nacht, irgendwann um die Jahrtausendwende, einer fuchtelt mit einer Baustellenbeleuchtung herum, ein weiterer hat offenbar Lappen und Schwämme vom Reinigungswägelchen geklaut, das beim Supermarkt um die Ecke stand. Oh, Gott! Das haben doch garantiert die scheiß Nachbar gesehen. Thees Uhlmann muss diese entgrenzten Leute zur Ordnung rufen, denke ich. Er ist doch ihr Vorgesetzter, ihm hatte ich leichtfertig zugesagt, wenn’s eng wird, könne „wer bei mir pennen“. Doch müde sieht hier keiner aus – und auch Thees wirkt nicht so, als hätte er Interesse, den Wahnsinn aufzuhalten, eher im Gegenteil.
Los geht die Story von „Sincerely, Thees Uhlmann“ und von Tomte ohnehin früher. Wenn man nicht gleich zu ihrer ersten Demo-Kassette in den alten Jugendkeller reisen will, führt sie allerdings noch mal nach Köln. Dort hatte Thees selbst eine Zeit lang gewohnt. „In Köln und dann in meinem Zimmer“ stellt das früheste Stück dieser Sammlung hier dar. Es erschien auf Tomtes allererster Vinyl-Single „Blinkmuffel“ und klingt wie sich einfach mit seinen friends den Hang runtertreten – der Rest wird sich schon finden. Für einen so dringlichen Song reicht dann auch eine Minute vierzig, grüner wird’s nicht.
Ohnehin findet sich in den frühen Stücken bereits vieles von dem, was Thees‘ Songwriting ausmacht: Sprachwitz und Prägnanz, Überschwang und Melancholie. Und eine regionale Verknüpfung, die über die Dekaden nie abreißen wird, das ominöse Hemmoor: „Du denkst, du bist kurz hinter New York / Doch Hemmoor ist cooler als wie Du / Da weiß man wenigstens, woran man ist“.