SONDERAUSSTELLUNG
Ruhr Museum, Galerie 21-Meter-Ebene
29. April 2024 bis 12. Januar 2025
Die Pressefotografin Marga Kingler (1931- 2016) genießt einen legendären Ruf als Grande Dame des Lokaljournalismus in Essen und im Ruhrgebiet. Im Ruhr Museum in der Kohlenwäsche auf dem UNESCO-Welterbe Zollverein werden rund 160 Bilder aus ihrem Nachlass, der im Fotoarchiv des Ruhr Museums aufbewahrt wird, zum ersten Mal in einer Ausstellung präsentiert.
Die lebendige Art Marga Kinglers mit den Fotografierten umzugehen, hat ihre einzigartige Bildsprache geprägt. Von 1951 bis 1991 arbeitete sie für die Lokalredaktion Essen der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung. So entstand in vier Jahrzehnten ein lebendiges Porträt des städtischen Lebens der Region und ihrer Menschen.
Die bekannte Bildreporterin Marga Kingler fotografierte von 1951 bis 1991 für die bedeutendste Ruhrgebietszeitung, die Westdeutsche Allgemeine Zeitung. Vier Jahrzehnte lang hielt sie wichtige überregionale, vor allem aber auch die lokalen Geschehnisse mit der Kamera fest und bestimmte damit die visuelle Wahrnehmung dieser Zeit maßgeblich mit.
Nun gewährt das Ruhr Museum, das im Besitz des fotografischen Nachlasses von Marga Kingler mit über 150.000 Negativen ist, zum ersten Mal Einblicke in das Lebenswerk und in die Arbeitswelt der legendären Fotografin. Gleichzeitig werden erstmalig ausschließlich Pressefotografien in einer Ausstellung des Ruhr Museums thematisiert. »Eine Ausstellung, die einen Überblick über das gesamte Werk der durch ihre lange Schaffenszeit, aber auch durch die Qualität ihrer Bilder bekannten Fotografin Marga Kingler vermittelt, hat es noch nie gegeben«, hält der Direktor des Ruhr Museums Prof. Heinrich Theodor Grütter fest. »Zudem erlaubt die Ausstellung einmal mehr einen neuen Blick in das immense, weiter im Wachsen befindliche Fotoarchiv des Ruhr Museums mit über vier Millionen Fotografien«, so Prof. Grütter weiter.
Im Ruhr Museum begann 2010 mit Heinrich Hausers »Schwarzes Revier« eine Reihe zu Klassikern der Ruhrgebietsfotografie, die mit »Chargesheimer. Die Entdeckung des Ruhrgebiets« (2014/15), »Erich Grisar. Ruhrgebietsfotografien 1928 – 1933« (2016) und »Josef Stoffels. Steinkohlenzechen - Fotografien aus dem Ruhrgebiet« (2018) weitergeführt wurde und schließlich mit »Albert Renger-Patzsch. Die Ruhrgebietsfotografien« (2018/19) ihren Höhepunkt und vorläufigen Abschluss fand.
»Unterwegs mit Marga Kingler. Pressefotografin im Ruhrgebiet« erweitert nun thematisch wie formal das Spektrum der Fotografie aus dem Ruhrgebiet und zeigt die immense Breite und Vielfalt derFotografischen Sammlung des Ruhr Museums. Darüber hinaus unterstreicht die neue Sonderausstellung die Bedeutung der Fotografie im Ruhrgebiet und vor allem in Essen, wo sich mehrere renommierte Einrichtungen wie das Museum Folkwang, das Historische Archiv Krupp, die Folkwang Universität der Künste und das Ruhr Museum zum Zentrum für Fotografie Essen zusammengeschlossen haben.
Die Galerieausstellung zeigt über 250 Fotografien, die während der 40-jährigen Tätigkeit von Marga Kingler als Fotojournalistin für den Lokalteil der Essener WAZ entstanden sind. Im Zentrum der Ausstellung stehen 42 Fotografien von lokalen und überregionalen Ereignissen aus den Jahren 1951 bis 1991 unter dem Titel 40 Jahre Zeitgeschichte. Die Fotografien spiegeln die gesellschaftlichen Veränderungen der Nachkriegszeit, der Wirtschaftswunderjahre, der von Protesten geprägten Zeiten der Bundesrepublik bis hin zum Mauerfall und der Wiedervereinigung. Damit haben einige der Pressefotografien von Marga Kingler überregionale Bedeutung und erzählen von der Geschichte der Bundesrepublik. Dazu gehören bedeutende Ereignisse der Zeitgeschichte, wie etwa die schwere Hamburger Sturmflut, der Staatsbesuch des damaligen US-Präsidenten John F. Kennedy in Köln oder der Ostermarsch Rhein-Ruhr. Mit diesen Bildern wird die historische Bedeutung der fotografischen Zeitzeugenschaft von Marga Kingler gewürdigt.
Das Kapitel Lokaltermine zeigt Aufnahmen, die im lokal-journalistischen Alltag entstanden sind. Von der Politik geht es über Schule, Kultur, Sport und Wirtschaft hin zu gesellschaftlichen Anlässen. Sie nehmen die Besucherinnen und Besucher mit zu den Terminen und Motiven einer lokalen Pressefotografin: Einen harten Nachrichtenkern haben Bilder von Unfällen, Polizei- und Feuerwehreinsätzen oder den Geschehnissen rund um die Kommunalpolitik. Aus dem Wirtschaftsleben der Stadt kommen Messen, Produktpräsentationen und Schlussverkäufe hinzu. Das Leben der Stadtgesellschaft präsentiert sich in Vereinen, auf Jahrmärkten, Karnevalsumzügen, kulturellen Veranstaltungen und den Jahresfesten wie Weihnachten und Ostern. Es gibt wiederkehrende Themen, bei denen sich Marga Kingler einer Formensprache bediente, die typisch für die lokale Pressefotografie ist: Scheckübergaben, das Händeschütteln von Politikern oder das Unterschreiben von Verträgen.
Marga Kingler hat zudem umfangreiche Bildserien fotografiert, wovon allerdings nur jeweils wenige Fotografien in der Zeitung abgedruckt wurden. Vier ihrer Reportagen aus unterschiedlichen Jahren, die in den Ressorts der WAZ »Aus dem Westen«, »Bunte Blätter« und im Lokalteil erschienen sind, wurden für die Ausstellung ausgewählt und mit zum Teil unveröffentlichten Motiven neu zusammengestellt.
Mit biografischen Bildern und einem bisher nie gezeigten Interview-Film entsteht ein umfassendes Bild der vielfältigen Pressearbeit von Marga Kingler und ein Panorama von vier Jahrzehnten Ruhrgebietsgeschichte. »Die gezeigten Fotografien lassen eine längst vergangene Welt wiederauferstehen, die nur noch in unserer Erinnerung existiert. Zugleich sind uns einzelne der gezeigten Fotografien seltsam vertraut, weil sie immer wieder in historischen Anthologien und Darstellungen, in Fotobänden und -ausstellungen, aber auch in Rückblicken der WAZ oder anderer Zeitungen der Funke Mediengruppe abgedruckt wurden und gleichsam einen ikonischen Charakter nicht nur für die Essener Stadtgeschichte gewonnen haben. Es ist kein Zufall, dass bestimmte Fotografien Kinglers zu den am häufigsten nachgefragten im Fotoarchiv des Ruhr Museums gehören«, so Prof. Heinrich Theodor Grütter.
Marga Kingler genießt einen legendären Ruf als Pressefotografin in Essen und im Ruhrgebiet. Sie war 40 Jahre für die WAZ tätig – erst als Fotolaborantin und sehr bald als Pressefotografin für die Essener Lokalnachrichten. In einer von Männern dominierten Berufswelt gelang es ihr, sich durchzusetzen. Die Leiterin der Fotografischen Sammlung des Ruhr Museums Stefanie Grebe unterstreicht dies: »Marga Kingler ist ein singuläres Beispiel für eine Fotografin, die sich in der männlich geprägten Pressefotografie seit der Nachkriegszeit 40 Jahre lang in der Lokalredaktion der WAZ behauptete und sich einen eigenen Namen gemacht hat.«
Die Fotografin besaß sehr gute kommunikative Fähigkeiten und wurde als äußert lebhaft wahrgenommen. Sie wird von Zeitzeuginnen und Zeitzeugen als beeindruckende Persönlichkeit beschrieben, selbstbewusst, durchsetzungsstark, geschickt im Umgang mit Menschen, gelegentlich auch scharfzüngig, charmant und immer elegant gekleidet, gut geschminkt und frisiert. Diese Persönlichkeits-merkmale bestimmten ihre ganze Karriere und fanden Eingang in ihre Art und Weise zu fotografieren. Sie zeigte sich aktiv und inszenierungsstark, griff beherzt in die zu fotografierende Szene ein und baute im engen Korsett der Terminfolge – meist unter begeisterter Mitwirkung der Beteiligten – ein Bild.
Im Laufe ihres Arbeitslebens fotografierte Marga Kingler Themen und Begebenheiten aus allen gesellschaftlichen Bereichen. Ihre Aufnahmen wurden vorwiegend im Lokalteil veröffentlicht, aber auch in anderen Ressorts wie »Sport«, »Bunte Blätter«, »Reisen«, »Kultur«, der Reportageseite »Aus dem Westen« oder auf Titelseiten. Obwohl durch Terminvergabe der Redaktion vorgegeben war, was Marga Kingler zu fotografieren hatte, gelang es ihr zunehmend eigene Interessenfelder zu besetzen. Dazu gehörten Kultur und Mode, Sport, Stimmungsbilder und das Stadtleben. Sie hatte stets die Menschen und deren Alltag im Blick.