Hinter den Kulissen der Oper Köln

von Adina 23.12.2019

Heute steht keine Vorstellung an, dennoch ist um kurz vor sieben am Donnerstagabend viel los in der Oper Köln. Im Backstage Bereich tummeln sich die Leute, Kostüme werden zurechtgerückt, Stimmen eingesungen, die letzten Handgriffe in der Maske getätigt. Die Generalprobe von “La Bohème” steht bevor.

Miljenko Turk sitzt in diesem Trubel ganz gelassen und mit einem verschmitzten Lächeln vor seinem Schreibtisch in seiner Garderobe. Falls er aufgeregt sein sollte, merkt man es dem kroatischen Bariton keineswegs an. Ein wahrer Profi eben, der seit über 20 Jahren auf der Bühne steht. Sein Kostüm trägt er schon, seinen Augen wurde mit Kajal weiterer Ausdruck verliehen. Gleich muss er sich nur noch den Malerkittel überwerfen und die Kappe aufziehen, bevor er die Bühne im StaatenHaus betritt. Er spielt Marcello, den Maler unter den vier Freunden aus "La Bohème", die zusammen in Paris leben und trotz ihrer Armut ihre jugendliche Unbekümmertheit nicht verlieren.

Das Singen hat Miljenko schon immer fasziniert, er singt bei Operninszenierungen und klassischen Konzerten. Dabei mag er es lieber, in der Oper zu singen: „Da kann ich ein bisschen mehr mit dem Publikum spielen” erklärt er mir, „beim Konzert sitzen die Leute näher, aber es ist trotzdem eine Art Distanz vorhanden und ein bisschen kältere Atmosphäre. Mit dem Spiel bist du freier, und somit auch näher am Publikum.” 
Und was sagt er zu “La Bohème”, der Oper, die er gleich spielen bzw. singen wird?Es sind so viele Facetten in dieser Oper. Sie ist nicht nur lustig und nicht nur traurig, sondern einfach alles und aus dem wahren Leben genommen”.

Vom Facettenreichtum der Oper darf ich mir gleich selbst ein Bild machen, denn ich habe das Glück, bei der Generalprobe von La Bohème der Oper Köln im StaatenHaus  Mäuschen zu spielen. Und dazu zählt nicht nur, die Sänger und Sängerinnen in ihren privaten Garderoben interviewen zu dürfen, sondern auch, einen Blick hinter die Kulissen zu werfen: In die Maske, in die Kostümabteilung, in die Requisiten und in die Bühnenbilder.

Wusstest du zum Beispiel, dass die Bühnenbilder heutzutage immer noch komplett handbemalt werden und es über ein Jahr dauert, sie fertigzustellen? Wie viel Handarbeit und Liebe zum Detail in den einzelnen Bühnenelementen steckt, merkt man wirklich erst, wenn man in nächster Nähe davor steht:

Jeder Stein der Mauer ist selbstgemalt, jeder Riss im Putz der Wand (die eigentlich nur aus Holz und Pappe besteht) aufwendig hergestellt, jeder Kuchen auf dem Marktstand mit so vielen Details versehen, dass er wirklich echt wirkt. Selbst die Rechnung, die den Protagonisten in der Inszenierung vorgelegt wird, ist mit wahren Zahlen versehen! Ich bin total erstaunt, wie viele Details in den einzelnen Bühnenbildern untergebracht werden, die das Publikum gar nicht unbedingt sieht, nur, damit es besonders authentisch wirkt. Wenn du dir "La Bohème" ansiehst, dann probiere mal, folgende Dinge wiederzufinden: Eine Schwarzwälder Kirschtorte, einen Paradiesapfel, ein Hirschgeweih und ein Spielzeugpferd. Ich bin mir fast sicher, dass du nicht alle entdecken wirst.

So viel zum Bühnenbild und den Requisiten, aber worum geht es in “La Bohème” überhaupt? Wie schon erwähnt, handelt sie von vier Freunden, die zusammen in Paris wohnen und sich mit wenig Geld gerade so durchschlagen. An Weihnachten, während drei der Freunde bereits vorgegangen sind, um in ihrem Stammcafé zu feiern, bleibt Rodolfo zurück, um seine Arbeit fertigzustellen. Kurze Zeit später klopft Mimì, seine Nachbarin, unverhofft an seine Türe, um nach Feuer für ihre erloschene Kerze zu fragen. Es entwickelt sich eine Romanze zwischen den beiden und sie stoßen später bei den Freunden im Café dazu. Dort trifft Marcello seine verflossene Geliebte Musetta wieder und auch zwischen ihnen entfacht neue Liebe. Jetzt beginnt ein Spiel aus Liebe, Eifersucht und Herzschmerz, mit einem dramatischen Höhepunkt…

Die Oper von Giacomo Puccini ist schon über 100 Jahre alt und auch wenn sie im opern-typisch dramatischen Stil ihre Geschichte erzählt, behandelt sie Themen, die in unserer Zeit noch die gleiche Relevanz haben: Liebe, jugendlicher Übermut, Freude am Leben und Freundschaft, aber auch Schicksalsschläge, Trauer und Eifersucht.

Kurz nach 21 Uhr. Während der Regieassistent noch verschiedene Anweisungen gibt, können sich die ersten Darsteller schon verabschieden und die Kostüme für heute ablegen. Das Orchester probt noch ein bisschen weiter - das ist übrigens ein zusätzlicher spannender Punkt: Es gibt keinen Orchestergraben im StaatenHaus, weshalb das Orchester bei dieser Inszenierung vor der Bühne platziert ist. Du kannst also zwischendurch auch einen Blick darauf werfen, wie die Musiker ihre Instrumente spielen. 

Mein Fazit des Abends? Oper ist die Kunstform, in der alle Kunstformen zusammen kommen, weshalb auch für jeden etwas dabei ist: Schauspiel, klassische Musik, Gesang, tolle Bühnenbilder und Kostüme. “La Bohème” ist eine herrliche Mischung aus Witz und Herzschmerz, die wunderbar zur Weihnachtszeit passt und auch für “Opern-Neulinge” sehr zugänglich ist. Ein Besuch in der Oper ist auf jeden Fall eine Erfahrung wert, selbst wenn du danach vielleicht feststellst, dass es nicht unbedingt deine regelmäßige Wochenendbeschäftigung wird. Um es mit den Worten von Miljenko abzuschließen: „Die, die noch unentschlossen sind, sollen es einfach mal versuchen. Wir beißen nicht, wir sind normale Menschen und ich bin mir sicher, sie werden Spaß haben - auch die, die nicht kommen wollten.”

Die Vorstellung kannst du dir übrigens vom 21. Dezember 2019 bis zum 19. Januar 2020 anschauen. Hier geht's zu den Terminen: 

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Fotos der Inszenierung: © Hans Jörg Michel
Fotos hinter den Kulissen: Rausgegangen Köln