Stings Musical »The Last Ship« hebt an wie Homers »Odyssee«: Nach siebzehn Jahren auf See kehrt Gideon Fletcher in seine Heimat Wallsend im Nordosten Englands zurück, von Kindheit an »geprägt von den riesigen Rümpfen der Schiffe.« Das Getriebensein des modernen Menschen, dessen Produktivität zwischen Tradition und existenzieller Abhängigkeit, an einen Industriestandort gebunden und konfrontiert mit den neoliberalen Strategien der Globalisierung, rückt in den Fokus.
Wallsend lebt von der Schiffbauindustrie, die ab den Siebzigern dem Strukturwandel unterworfen ist. Beim Wiedersehen mit seiner Jugendliebe Meg Dawson lernt Gideon ihrer beider Tochter Ellen kennen. Wie einst Sting entflieht sie der Stadt, um in London als Musikerin Karriere zu machen. Die Newlands Corporation droht mit der Werftschließung, nachdem die Regierung sich ob der insolventen Aufraggeber wider eine Rettungsaktion entschieden hat. Gideon führt mit dem Gewerkschafter Billy Thompson und dem Vormann Jackie White die Arbeiter:innen an. Statt mit dezimierter Belegschaft das Schiff im Trockendock abzuwracken, gehen sie gemeinsam auf die Barrikaden und bauen das letzte Schiff, »Utopia«. Zum Stapellauf nehmen sie einen Sarg an Bord, denn Schiffbau heißt Leben und Sterben, Aufbruch und Wiederkehr, Heimat und Schicksal. »Mit dem Verschwinden dieser Industrie verschwand auch die Identität der Arbeiter. Stolz, Einkommen, Würde, alles genommen und ersetzt durch – nichts […]. Genau davon handelt mein Musical: wie groß die Bedeutung von Gemeinschaft in der ökonomischen Gleichung ist«, benennt Sting, 1951 in Wallsend geboren, im »RollingStone«-Interview (Januar 2020) die Auseinandersetzung mit seiner Herkunft.
Malte C. Lachmann zieht in seiner Inszenierung auch Parallelen zu Traditionsunternehmen der Hansestadt – vom Aufstieg und Niedergang der Flender Werft.