FOTO: © St. Pauli Theater © Thorsten Baering

Il paradiso è sempre altrove – Das Paradies ist immer woanders

Das sagt der/die Veranstalter:in:

„Il paradiso è sempre altrove – Das Paradies ist immer woanders“ ist das 3. Projekt des 2014 von den Theaterregisseuren Matteo Marsan, Dania Hohmann, Ulrich Waller und dem Filmregisseur Eduard Erne begründeten italienisch-deutschen „Theaters der Erinnerung“.

Knapp zehn Tage lang treffen sich italienische und deutsche Schauspielerinnen und Schauspieler, Musiker und Sängerinnen zusammen mit einem kleinen Team, um auf einem beschaulichen Dorfplatz in der Toskana, der Piazza Castelli in San Gusmè ein weiteres Kapitel der gemeinsamen Geschichte beider Länder in Erinnerung zu bringen.

Das Besondere: italienische und deutsche Profi-Schauspieler schlüpfen zusammen mit einer Gruppe von Laiendarstellern in Figuren aus der jeweiligen Epoche und versuchen Geschichte gemeinsam zu spielen, in beiden Sprachen, und sie dadurch im wahrsten Sinne des Wortes noch einmal anders erfahrbar zu machen. Denn beim Spielen kann man Missverständnisse, Verletzungen, Verstörungen, aber auch die Sehnsucht nach der jeweils anderen Kultur direkt und körperlich erleben, ganz im Sinn eines kathartischen, antiken Modells von Theater.

Begonnen hat das alles 2013, als Hohmann und Waller eine Form suchten, wie man den Toten des Massakers von Palazaccio, unweit von San Gusmè angemessen gedenken könnte. Sie wussten um die Theatergruppe Cantiere del Bruscello aus Castelnuovo Berardenga und hatten auch schon einige Aufführungen der Truppe gesehen. Eher durch Zufall entstand dann der Kontakt zu Matteo Marsan, dem Regisseur. Daraus entwickelte sich die Idee, auf der Basis gänzlich unterschiedlicher Erinnerungskulturen gemeinsam ein Stück zu machen: „Albicocche rosse – Blutige Aprikosen“ – die Geschichte eines toskanischen Dorfes von 1940-44.

Die Recherche – im Zentrum standen Interviews mit Überlebenden des Massakers – zu dem Projekt wurde gleichzeitig die Basis für den Film „Der vergessene Krieg“, der zusammen mit Eduard Erne entstand und der auch Teile der Aufführung verwendete.

Daraus entwickelte sich die später wiederverwendete Arbeitsmethode mit ausführlichen Recherchen, vor allem Zeitzeugeninterviews am Anfang, die dann in die späteren Texterfindung mit einfließen.

Über die Jahre hat sich ein fester Kern von Schauspielerinnen und Schauspielern, sowohl auf der italienischen, wie der deutschen Seite gebildet, dazu gehören Peter Franke, Gianni Ferreri, Jörg Kleemann, Stefano Santomauro, Anneke Schwabe und bis zu seinem überraschenden Tod auch George Meyer-Goll. Und auch unter den Bruscellanti sind viele in diesem Jahr zum 3. Mal dabei, wie etwa Silvia Tognazzi oder Alessandro Rigacci. Ähnlich ist es beim Stab: Georg&Paul, die Bühnenbildnerinnen, Bettina Proske (in diesem Jahr vertreten durch Susann Günther) und Laura Celesti (Kostüm), Alex Fahima, Christiane Schindler als Produzentin und das ganze Team um Matteo Marsan und das Theater Vittorio Alfieri und Techniker wie Davide Fatemi begleiten das Projekt von Anfang an.

Ohne großzügige Spenden wäre so ein einmaliges Projekt gar nicht denkbar. Die ZEIT-Stiftung, die KOERBER-Stiftung, aber auch Einzelpersonen wie Antje Ellermann oder Claus und Annegret Budelmann, Wolf und Annette Römmig machen neben Institutionen wie der Region Toskana oder des Auswärtigen Amtes oder des Goethe-Instituts Rom dieses Projekt überhaupt erst möglich.

Und auch in dieses Mal begann die Recherche mit Zeitzeugen: Viele der Parteifunktionäre der PCI aus der Region erinnerten nochmal an eine andere Zeit, auch für die kommunistische Partei, u.a. daraus entstand eine Textvorlage für das Regieteam, die in knapp 9 Tagen jetzt auf die Bühne gesetzt wurde.

Das neue Projekt unseres “Theaters der Erinnerung” beschäftigte sich diesmal mit den legendären 1970er Jahren, in denen viele Entwicklungen und Prozesse in Gang gesetzt wurden, die uns noch heute bewegen: Die Frauenbewegung, die Sensibilisierung für Ökologie, der Beginn der Inklusion durch die Öffnung psychiatrischer Kliniken, die Überwindung des Terrorismus als Form der politischen Auseinandersetzung und mit dem Traum, der noch nicht ganz ausgeträumt zu sein scheint: der Traum von einer gerechteren Gesellschaft.

Für eine ganze Generation von jungen Deutschen war nach 1968, fast ein Jahrzehnt lang Italien so etwas wie das gelobte Land. Und mit dem “historischen Kompromiss” schien die friedliche Überwindung des Kapitalismus als Wirtschaftsform in Italien plötzlich in Reichweite. Und das vor dem Hintergrund einer blutigen, fast bürger-kriegsähnlichen Auseinandersetzung mit dem italienischen Neofaschismus in den frühen 1970er Jahren. Und auch mit seiner linksradikalen Subkultur, mit Gruppen wie “Lotta continua” oder “Potere operaio”, seinen alternativen Sozialzentren, dem Theater von Dario Fo und seinen freien Radiosendern wie Radio Alice, erschien Italien als Modell für die Zukunft.

Davon erzählt der Abend, aus der Perspektive eines toskanischen Dorfes, in das sich 1975 drei junge Deutsche verirren, die hier die „Revolution“ studieren wollen und sich bei einem der legendären Feste der Unita in dieses Land verlieben.

Wir zeigen eine geschnittene Video-Aufzeichnung der Theater-Produktion.

Location

St. Pauli Theater Spielbudenplatz 29-30 20359 Hamburg

Hol dir jetzt die Rausgegangen App!

Sei immer up-to-date mit den neuesten Veranstaltungen in Hamburg!