In the organizer's words:
1995 erscheint bei Suhrkamp ein Band mit Erinnerungen eines lettischen Holocaustüberlebenden. Die Veröffentlichung erhält zahlreiche Preise und wird als bewegendes Zeitdokument bestens besprochen. Bis nur drei Jahre später ein schweizerisch-jüdischer Journalist aufdeckt: Der Autor dieser angeblichen Memoiren ist weder Jude, noch war er je vom Terror der Nationalsozialisten betroffen, sondern schreibt aus einer erfundenen Perspektive, hat sich seine jüdische Biographie also nur ausgedacht. Allerdings: Diese Aneignung einer jüdischen Opferbiografie ist keineswegs ein Einzelfall, und was aufgrund der fiktiven Biografie des Binjamin Wilkomirski anschließend als „Wilkomirski-Syndrom” beschrieben wird, erfährt seit dem zweiten Weltkrieg regelrecht Konjunktur. Insbesondere im Land der Täter und der nicht flächendeckend aufgearbeiteten Familiengeschichten finden sich zahlreiche Figuren, die sich einen Vorteil durch die Behauptung einer Verfolgungsbiographie versprechen, unter ihnen eine bekannte Bloggerin, ein langjähriger Vorsitzender einer jüdischen Gemeinde bei Hamburg oder ein einflussreicher Journalist. In einer Gegenwart, in der die eigene Identität für die Sichtbarkeit und Relevanz einer Aussage zunehmendes Gewicht erhält, werden bestimmte Biographien zum Privileg: Ist die Aneignung jüdischer Identität also ein Karrierevorteil? Ein Verkaufsargument? Oder wird vielmehr nicht allzu genau überprüft, ob das Behauptete stimmt, wenn es historisch so sensibel ist? Noam Brusilovsky untersucht diese Fragen in einem Monologprojekt und beleuchtet die blinden Flecken der deutschen Erinnerungskultur in einer sich zunehmend polarisierenden Gegenwart.
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