In the organizer's words:
Der Neue Berliner Kunstverein (n.b.k.) ist mit dem Projekt INDUSTRY zu Gast in den Uferstudios und den Uferhallen. Das Projekt beleuchtet den gesamten Komplex der ehemaligen Hauptwerkstätten der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) und schlägt eine Brücke zwischen der Geschichte des Ortsteils Gesundbrunnen im 20. Jahrhundert und dem aktuellen Diskurs um Deindustrialisierung und Kulturindustrie. Eine neue Arbeit von Karo Akpokiere sowie ein raumgreifendes kinetisches Kunstwerk von Oscar Peters nehmen Bezug auf in Vergessenheit geratene Aspekte der Geschichte Weddings und des ehemaligen „Boulevards Badstraße“. Zugleich wird die Ausstellung zur Plattform für künstlerische Interventionen lokal verankerter wie international vernetzter Künstler*innen.
Uferhallen und Uferstudios bilden inmitten Berlins einen Produktionskomplex zeitgenössischer bildender und performativer Künste, der dank seiner einzigartigen Rahmenbedingungen künstlerische Produktionen und kulturellen Austausch ermöglicht, die maßgeblich zu Berlins Bedeutung als europäische Kulturmetropole beitragen. Im gegenwärtigen Diskursklima geht angesichts geopolitischer Herausforderungen und der immer offenkundiger werdenden Auswirkungen des Klimawandels in Deutschland das von Interessensverbänden und politischen Kräften beschworene Gespenst der Deindustrialisierung um. Der n.b.k. möchte vor diesem Hintergrund den Blick auf die Orte lenken, die von der industriellen Vergangenheit Berlins und der rasanten Entwicklung Anfang des 20. Jahrhunderts zeugen, während sie zugleich eine kritische Infrastruktur für Kulturschaffende darstellen.
Die im Rahmen des Projekts INDUSTRY präsentierte schildförmige Plastik Berlin-Wedding (2024) von Karo Akpokiere (*1981 in Lagos, lebt und arbeitet in Hamburg) aus seiner Serie An Alternative History of Symbols and Their Meaning (seit 2023) verbindet Wappenelemente des in Vergessenheit geratenen Weddinger Wappens mit solchen des Bezirks Berlin-Mitte und des Landes Berlin. In Berlin-Wedding wird die meist verborgene symbolische Gewalt der Repräsentationsfunktion eines Wappentiers in der Umklammerung von Berliner Bär und dem geflügelten Pfeil der Familie von Weddinghe manifest. Der Bär, der im Wappen des Bezirks Mitte eigentlich ein blaues Schild mit Herrscher-Zepter trägt, hat dieses verlassen und sitzt, den Pfeil des Weddinger Wappens von 1950 haltend und von Kratzern übersät, in einer Blutlache. Die beiden Wappensymbole Bär und Pfeil, die im Bildrepertoire der Heraldik üblicherweise von Wachsamkeit, Zielstrebigkeit und Stärke zeugen, verharren hier im Stillstand. Akpokiere wirft u. a. die Frage auf, inwiefern die Umdeutung historischer Symboliken aktuelle Konfliktlinien ans Tageslicht bringen und Möglichkeiten für die Auseinandersetzung mit Vergangenheit und Zukunft eines Ortes bergen kann.
Als zentrales Element der Ausstellung INDUSTRY nimmt eine raumgreifende Arbeit von Oscar Peters (*1981 in Borger / Niederlande, lebt und arbeitet in Amsterdam) Bezug auf eine 1924 unweit der Uferstudios in der Badstraße 8 errichtete Achterbahn. Ausgehend von der metaphorischen Bedeutung des historischen Auf und Ab des Stadtteils und der konkreten räumlichen Verbindung zur Vergangenheit des Standorts, wird The Twins (2024) zur Bühne für die künstlerischen Beiträge weiterer Künstler*innen. Statt jauchzender Menschen werden hier skulpturale Kunstobjekte zu Passagier*innen der Achterbahnwagen. INDUSTRY richtet so einen humorvollen Blick in mögliche Zukünfte der Kultur- und Kunststätten und ermöglicht eine Auseinandersetzung mit den historischen Wurzeln der Nachbar*innenschaft.
Der n.b.k. ist seit über 13 Jahren aktiver Unterstützer des Standorts Uferhallen und hat sich zusammen mit dem Uferhallen e. V. dafür eingesetzt, das Areal als einen der wichtigsten künstlerischen Produktionsstandorte in Berlin zu erhalten. Die Uferstudios für zeitgenössischen Tanz sind ein denkmalgeschütztes Areal, das aktuell insgesamt sechs Partner aus der freien Tanzszene Berlins versammelt und eine große Bandbreite künstlerischer Prozesse und Ästhetiken des zeitgenössischen Tanzes in die Öffentlichkeit rückt.
Diskursprogramm
Donnerstag, 12. September 202418:30 Uhr: Mara Wohnhaas, Rekommandeur, PerformanceOrt: Uferstudios, Uferstraße 23/Badstraße 41
20 Uhr: Mulay, Lavender, Album Pre-Release ShowOrt: studio db, Uferstr. 8-11
Samstag, 14. September 202414–18 Uhr: Open StudiosOrt: Uferhallen, Uferstr. 8-11
17 Uhr: Jasmin Schiele, Ufer(h)allen: Architektur als sozial-kulturelle Infrastruktur, VortragOrt: Uferhallen, Uferstr. 8-11
18 Uhr: Lucinda Dayhew, Stop the Ride I’m Getting Off, Performance Ort: Uferhallen, Uferstr. 8-11
19 Uhr: Film-ScreeningOrt: Uferhallen, Uferstr. 8-11
20 Uhr: Experimental Music Performances Night: Avi Caspi, Nearat Hametifim, Elektrischer Hund Ort: studio db, Uferstr. 8-11
Sonntag, 15. September 202410–18 Uhr: NachbarschaftsflohmarktOrt: Uferhallen, Uferstr. 8–11
14–18 Uhr: Open StudiosOrt: Uferhallen, Uferstr. 8-11
17 Uhr: Nathaniel Flakin / Revolutionary Berlin, Red Wedding, Neighborhood Walking Tour Ort: Uferhallen, Uferstr. 8-11
Sonntag, 22. September 202415 Uhr: Karo Akpokiere, An Alternative History of Symbols and Their Meaning, Workshop
Weitere Informationen zum Diskursprogramm hier.